Working Capital Management: Erklärung, Kennzahlen & Beispiel

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Working Capital Management: Erklärung, Kennzahlen und Beispiel

Working Capital Management ist für Unternehmen ein wichtiger Schalter, um die Liquidität zu stärken. Doch obwohl gerade hier häufig viele ungenutzte Potenziale vorhanden sind, wird Working Capital Management leider noch allzu oft vernachlässigt oder als ungeliebte Disziplin wahrgenommen. Die Folge ist: Zu viel Kapital bleibt gebunden und Unternehmen verpassen die Chance, ihre eigenen finanziellen Möglichkeiten zu verbessern. Im schlimmsten Fall kann das existenzbedrohende Konsequenzen nach sich ziehen.

Working Capital Management (WCM): Definition und Erklärung

Was bedeutet Working Capital Management für Unternehmen?

Was ist Working Capital Management überhaupt? Mit Working Capital Management werden kurzfristige Vermögenswerte und kurzfristige Verbindlichkeiten gesteuert. Im Fokus steht also das Umlaufvermögen.

Einfach erklärt: Im Idealfall werden Vorräte so kurz wie möglich (nötig) gelagert, Lieferantenrechnungen so spät wie möglich beglichen und für die Forderungen können so früh wie möglich Zahlungseingänge realisiert werden. Dann sind liquide Mittel für Investitionen oder eine Ausweitung des Geschäfts vorhanden.

Das Working Capital Management ist also dafür verantwortlich, liquide Mittel, die im Umlaufvermögen gebunden sind, freizusetzen.

Das Working Capital Management fokussiert sich insbesondere auf die Bereiche:

Das** Working Capital** wird auch als Betriebskapital bezeichnet.

Ziele von Working Capital Management
👉 Liquiditätssicherung
👉 Optimierung des Cashflows
👉 Reduzierung von Finanzierungskosten
👉 Steigerung der Rentabilität
👉 Verringerung von Risiken

Net Working Capital (Nettoumlaufvermögen)

Eine zentrale Steuerungsgröße im Working Capital Management ist das sog. Net Working Capital. Hierbei handelt es sich um eine spezifische Kennzahl, die Rückschlüsse zur Liquidität eines Unternehmens zulässt. Häufig fällt hier auch der Begriff Nettoumlaufvermögen.

Nach herrschender Literaturmeinung handelt es sich beim Net Working Capital um die Differenz aus kurzfristigen Vermögensgegenständen (wie Forderungen, Vorräte und liquide Mittel) und den kurzfristigen Schulden (Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen und sonstige kurzfristige Verbindlichkeiten).

Wie hoch sollte das Working Capital sein?

Wenn das Working Capital positiv ist, heißt dies, dass hier Kapital vorhanden und gebunden ist. Ein negatives Working Capital wiederum heißt, dass nicht ausreichend kurzfristiges Vermögen vorhanden ist, um die kurzfristigen Verbindlichkeiten bedienen zu können.

Wie hoch das Working Capital sein sollte, kann branchenabhängig sehr unterschiedlich sein. Es sollte jedoch positiv sein.

Working Capital Management: Wichtige Kennzahlen

Das Working Capital Management betrachtet natürlich weitere Kennzahlen, wie zum Beispiel

  • Days Inventory Outstanding (DIO): Diese Kennzahl ermittelt die Lagerbestandsreichweite (auch Lagerreichweite oder Bestandsreichweite genannt): Wie lange dauert es, bis die Bestände aufgebraucht sind? Hier können drohende Lieferverzögerungen bereits erkannt werden. Im umgekehrten Fall kann hier bereits ein Hinweis vorliegen, dass die Lagerhaltung zu umfangreich ist und daher die Lagerkosten zu hoch sind. Die Formel lautet: Lagerbestand / Umsatzerlöse * 365 Tage
  • Days Sales Outstanding (DSO): Diese Kennzahl ermittelt die Anzahl der Tage zwischen der Rechnungserstellung bis zum Zahlungseingang auf dem Konto des Unternehmens. Wie lange muss das Unternehmen warten, bis eine erbrachte Leistung bezahlt wird? Die Formel lautet: Forderungen aus Lieferungen und Leistungen / Umsatzerlöse * 365
  • Days Payables Outstanding (DPO): Diese Kennzahl ist für das Management von Verbindlichkeiten wichtig und ermittelt die Verbindlichkeitenreichweite bzw. Kreditorenlaufzeit, also die Anzahl der Tage zwischen Rechnungseingang und Zahlungsbegleichung des Unternehmens. Wie lange dauert es, bis das Unternehmen seine Lieferanten bezahlt? Die Formel lautet: Verbindlichkeiten * Zeitraum (in Tagen) / Umsatzerlöse

Working Capital Management: Hohe Fremdkapitalkosten vermeiden

Die „Working Capital Study 23/24“ der Beratungsgesellschaft PwC hat ergeben, dass das Working Capital Management für Unternehmen** immer bedeutsamer** wird. Dies liegt auch daran, dass Unternehmen aufgrund steigender Fremdkapitalkosten sensibilisiert sind.

Laut der PwC-Studie haben sich die Zinssätze in westlichen Märkten um das 3 bis 6,7-Fache erhöht. CFOs müssen deshalb umso mehr darauf achten, dass nicht zu viel Kapital im Working Capital gebunden wird. Und hier scheinen auch viele Finanzschefs verstärkt Maßnahmen zu ergreifen: Laut der PwC-Studie konnte ein Rückgang der Net Working Capital Tage um 1,1 Tage festgestellt werden. Auch die Days Sales Outstanding (DSO) wurden reduziert (im Schnitt um 6,7 Tage), ebenfalls die Days Payables Outstanding (DPO) (im Schnitt 11,5 Tage).

Weitaus pessimistischer zeichnet sich das Bild der Studie "Der Weg zu einem effektiven Net Working Capital Management" der Beratungsgesellschaft Horváth: Bei 48 Prozent der Teilnehmer verschlechterte sich die Kennzahl DSO, bei 55 Prozent auch die Kennzahl DIO und bei 23 Prozent die Kennzahl DPO.

Mit Working Capital Management Liquidität sichern

Ein wesentliches Ziel des Working Capital Managements ist die Sicherung und Optimierung der Liquidität im Unternehmen und eine Steigerung der Rentabilität. Dazu wird die Bilanz analysiert, Prozesse optimiert und ggf. Konditionen neu verhandelt und angepasst. Effizienz spielt hierbei eine große Rolle.

Das Ergebnis wirkt sich entsprechend auf die Liquiditätskennzahlen aus. Wenn diese Kennzahlen optimiert wurden, tritt ein weiterer Effekt auf: Investoren oder auch Kreditgeber bewerten das Unternehmen wesentlich positiver. Und damit kann das Unternehmen Zugang zu weiteren Finanzierungsmöglichkeiten erhalten, im besten Fall zu guten Konditionen.

Vor dem Hintergrund dieser Effekte stellt sich das Problem: Working Capital Management muss auf der Prioritätenliste des Managements nach oben rücken. Häufig werden primär Gewinnentwicklungen oder auch Umsätze betrachtet. Doch auch wenn der Umsatz beispielsweise wächst, muss das Unternehmen liquide bleiben. Dies wird häufig nicht (oder zu spät) erkannt

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Wie kann man das Working Capital verbessern?

Es gibt zahlreiche Maßnahmen, wie das Working Capital optimiert werden kann. Nachfolgend werden einige typische Fälle kurz betrachtet.

Working Capital Management: Probleme lösen

Werden beispielsweise mehr Umsätze generiert, wirkt das zunächst positiv. Doch wenn gestellte Rechnungen immer länger nicht bezahlt werden, geht das Unternehmen über einen sehr langen Zeitraum in Vorleistung. Die Waren wurden bestellt, gelagert, ausgeliefert – doch der Zahlungseingang lässt auf sich warten.

Für Umsatzwachstum muss die Liquidität vorhanden sein – sonst kann das Unternehmen schnell trotz vermeintlich guter Geschäfte (zumindest kurzfristig) zahlungsunfähig werden. Das Working Capital Management kann Fehlentwicklungen frühzeitig erkennen und gegensteuern. Es ist daher auch Teil des Risikomanagements eines Unternehmens – und deshalb zwingend erforderlich.

Forderungsmanagement und Working Capital Management

Ein wichtiger Bestandteil des Working Capital Management ist das Forderungsmanagement. Mit dem Forderungsmanagement soll sichergestellt werden, dass offene Forderungen des Unternehmens auch bezahlt werden.

Das Forderungsmanagement ist von zentraler Bedeutung zur Liquiditätssicherung. Wenn ein Unternehmen Leistungen erbringt, die Kunden jedoch die Rechnungen nicht begleichen, ist die Liquiditätskrise vorprogrammiert. Deshalb müssen offene Forderungen überwacht, Zahlungseingänge dokumentiert und ausstehende Zahlungseingänge ggf. zeitnah angemahnt werden.

Die Zahlungsbedingungen können hier den entscheidenden Unterschied machen: Wie viel Zeit gewähren Sie Ihren Kunden, Rechnungen zu begleichen? Nicht wenige Unternehmen warten fast zwei Monate lang (in manchen Fällen auch wesentlich länger) auf den Zahlungseingang. Wer beispielsweise stattdessen festlegt, dass die Rechnung innerhalb von 30 Tagen zu begleichen ist, kann wesentlich früher über mehr liquide Mittel verfügen.

Beim Forderungsmanagement ist jedoch auch Diplomatie gefragt: Welche Zahlungsziele gewährt die Konkurrenz? Mögliche Wettbewerbsnachteile müssen hier abgewogen werden.

Und natürlich ist gerade beim Anmahnen offener Forderungen zu bedenken: Die anhaltenden Krisen ging auch an vielen Kunden und Kundinnen nicht spurlos vorbei. Auch eigentlich zuverlässige, treue Geschäftspartner können hierdurch kurzfristig in Not geraten sein. Wie kann man sich hier entgegenkommen und eine gemeinsame Lösung finden?

Nicht immer wird das Forderungsmanagement im Unternehmen selbst angesiedelt. Viele Firmen lagern dieses auch aus, sodass Dienstleister sich um Mahn- oder auch Inkassoverfahren kümmern. Zum Beispiel Factoring, also der sogenannte Forderungsverkauf an einen Dritten, sichert den Zahlungseingang und reduziert das Ausfallrisiko. Vor allem mittelständische Unternehmen nutzen diese Finanzierungsform vermehrt. Zu beachten ist jedoch, dass im Zusammenhang mit Factoring auch Kosten entstehen.

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Management von Vorräten und Verbindlichkeiten

Weitere Hebel des Working Capital Managements sind im Vorratsmanagement anzusiedeln. Natürlich sind Unternehmen daran interessiert, immer über ausreichende Bestände zu verfügen, um Aufträge ausführen zu können. Doch das Working Capital Management soll sicherstellen, dass die Prozesse der Lieferkette optimiert werden.

Volle Lager mit Waren, die sehr lange in den Regalen liegen, sollten möglichst vermieden werden. Denn werden Waren bestellt und bezahlt, jedoch lange überhaupt nicht verwendet, dann handelt es sich um gebundenes Kapital, das zunächst keine Einnahmen sondern lediglich Kosten generiert. Diese liquiden Mittel fehlen dann, um andere wichtige Investitionen zu finanzieren.

Das Working Capital Management behält daher die Bestandsreichweite im Blick: Wie lange dauert es zwischen Wareneingang und Warenausgang (oder Entnahme)? Dabei sollte aber auch bedacht werden, dass Vorräte natürlich auch zur Handlungsfähigkeit benötigt werden. Hier gilt es, die richtige Balance zu finden.

Auch die kurzfristigen Verbindlichkeiten können ein wichtiger Stellhebel für die Verbesserung der Liquidität sein. Wer mit seinen Lieferanten schon lange und zuverlässig zusammenarbeitet, kann vielleicht längere Zahlungsziele vereinbaren. Auch hier sollten entsprechende Konditionen verhandelt werden.

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Working Capital Management: Beispiel

Angenommen, ein Unternehmen möchte sein Working Capital Management verbessern, indem es die Effizienz seines Umlaufvermögens und seiner Zahlungszyklen optimiert. So könnten folgende Kennzahlen betrachtet werden:

  • Net Working Capital (NWC): 500.000 Euro.
  • Days Inventory Outstanding (DIO): 40 Tage
  • Days Sales Outstanding (DSO): 70 Tage
  • Days Payables Outstanding (DPO): 30 Tage

Die Kennzahl DIO zeigt, dass der durchschnittliche Lagerbestand etwa 40 Tage benötigt, um sich umzudrehen und in Umsatz umgewandelt zu werden. Es dauert im Schnitt 70 Tage, bis ausstehende Forderungen von Kunden eingezogen werden (vgl. DSO). Und nach etwa 30 Tagen begleicht das Unternehmen seine Lieferantenverbindlichkeiten.

Das Unternehmen könnte prüfen, ob es durch Reduzierung der Lagerbestände oder Beschleunigung des Forderungseinzugs das NWC verbessern könnte. Zudem könnte analysiert werden, wie die Zahlungsfristen für die Lieferantenrechnungen geregelt sind. Könnten die Zahlungen noch etwas aufgeschoben werden? Doch Achtung: Diese Maßnahmen sollten nicht auf Kosten der Lieferantenbeziehungen geschehen.

Negatives Working Capital optimieren: Maßnahmen ergreifen

Und was passiert, wenn das Net Working Capital negativ ist? Das ist ein Indiz für einen Liquiditätsengpass. Das Working Capital Management muss schnell tätig werden: Die Lagerbestände müssen schnellstmöglich geprüft und optimiert werden. Zudem sollte das Working Capital Management unter anderem folgende Ansatzpunkte prüfen:

  • Können Lieferantenkredite mit längeren Zahlungszielen vereinbart werden? Das Unternehmen bezahlt seine Rechnungen sehr schnell, wartet auf Zahlungseingänge jedoch im Schnitt 70 Tage.
  • Sind Forderungen offen und überfällig? Dann ist das Mahnwesen schnellstmöglich gefragt.
  • Könnten Zahlungsbedingungen für künftig Forderungen angepasst werden, um schnellere Zahlungseingänge zu realisieren? Wie würden sich beispielsweise kürzere Zahlungsfristen oder die Gewährung von Skonto bei früher Bezahlung auf die Liquiditätsplanung auswirken?
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