Bilanzanalyse erklärt: Alles zu Definition, Vorgehen und Kennzahlen

Die Bilanzanalyse ist ein bewährtes Instrument, um noch mehr Informationen aus den buchhalterischen und bilanziellen Daten zu erhalten. Dennoch kommt sie zu selten zum Einsatz. Der Jahresabschluss wird zwar jährlich erstellt. Doch wie tiefgehend befassen sich Unternehmen eigentlich mit dem eigenen Zahlenwerk? Wer sich nicht intensiv mit den bilanziellen Informationen auseinandersetzt, riskiert wirtschaftliche Fehleinschätzungen. Potenzielle Kreditgeber und Investoren werden den Jahresabschluss genau unter die Lupe nehmen.
Bilanzanalyse: Definition
Bei einer Bilanzanalyse wird der Jahresabschluss eines Unternehmens untersucht. Verschiedene Informationen werden hierfür ausgewertet und miteinander in Beziehung gesetzt. Dabei werden vor allem Kennzahlen eingesetzt.
Welche Aufgabe die Bilanzanalyse erfüllt
Mit der Bilanzanalyse sollen also weitere Informationen über ein Unternehmen generiert werden. Die Bilanzanalyse kann vom Unternehmen selbst vorgenommen werden. Doch auch Investoren oder Kreditgeber nutzen die Bilanzanalyse, um sich ein noch besseres Bild von der wirtschaftlichen Lage eines Unternehmens und möglichen Risiken bei einer Investition machen zu können.

Der Name kann hier missverständlich sein, denn alle Bestandteile des Jahresabschlusses werden untersucht, also:
- die Bilanz,
- die Gewinn- und Verlustrechnung (GuV),
- der Anhang und
- der Lagebericht.
Die Bilanzanalyse ist ein sehr unterschätztes Instrument. Da Unternehmen nicht dazu gesetzlich verpflichtet sind, wird die Notwendigkeit häufig nicht gesehen, sich überhaupt damit auseinandersetzen. Doch viele Unternehmenskrisen könnten bereits frühzeitig erkannt und Insolvenzen vermieden werden.
Vorgehen bei der Bilanzanalyse
Wie geht man nun bei einer Bilanzanalyse vor? Werfen Sie zunächst einen Blick auf den Jahresabschluss: Verschaffen Sie sich einen Eindruck über die Bilanz, die Gewinn- und Verlustrechnung, den Anhang und den Lagebericht.
Wie sah das Zahlenwerk im Vorjahr aus? Wie haben sich beispielsweise Umsätze oder auch der Gewinn im Vergleich entwickelt?
Bereiten Sie das Datenmaterial auf: Der Jahresabschluss ist häufig sehr umfangreich. Sorgen Sie für mehr Übersicht. Die Daten müssen strukturiert und vereinfacht werden. Können Daten für die Bilanzanalyse saldiert werden? Fassen Sie die Daten zusammen, die beispielsweise zur Ermittlung des Eigenkapitals erforderlich sind.

Nun kommen Kennzahlen zum Einsatz: Wählen Sie die Kennzahlen gezielt und individuell aus. Ein Softwareunternehmen hat andere Besonderheiten als beispielsweise ein produzierendes Unternehmen.
Analysieren Sie das Ergebnis: Welche Erkenntnisse wurden gewonnen? Müssen Maßnahmen ergriffen werden? Zu beachten ist dabei: Wird beispielsweise der Jahresabschluss 2020 analysiert, handelt es sich um vergangenheitsorientierte Daten. Aktuelle laufende Daten der Buchhaltung wurden hier noch nicht berücksichtigt.
Wichtige Kennzahlen bei der Bilanzanalyse
Kennzahlen spielen bei der Bilanzanalyse eine wesentliche Rolle. Sie setzen verschiedene Daten miteinander in Beziehung und können Schwachstellen aufdecken. Wer regelmäßig den Jahresabschluss analysiert, kann dies auch in der Unternehmenssteuerung berücksichtigen und für bestimmte Kennzehlen entsprechende Ziele entwickeln. Wie soll sich beispielsweise die Umsatzrentabilität entwickeln? Vergleichen Sie die Kennzahlen außerdem mit Branchenkennzahlen: Wie schneidet Ihr Unternehmen im Vergleich zur Konkurrenz ab?
Wichtige Kennzahlen bei der Bilanzanalyse sind beispielsweise
Eigenkapitalquote
Die Formel lautet: Eigenkapitalquote = (Eigenkapital / Bilanzsumme) x 100 Mit der Eigenkapitalquote wird ermittelt, zu welchem Prozentsatz das Vermögen des Unternehmens eigenkapitalfinanziert ist. Fremdkapitalquote
Die Formel lautet: Fremdkapitalquote = (Fremdkapital / Bilanzsumme) x 100 Mit der Fremdkapitalquote wird ermittelt, zu welchem Prozentsatz das Vermögen des Unternehmens fremdkapitalfinanziert ist.
Verschuldungsgrad
Die Formel lautet: Verschuldungsgrad = Fremdkapital / Eigenkapital x 100
Der Verschuldungsgrad gibt an, welche Relation zwischen Fremdkapital und Eigenkapital besteht und lässt Rückschlüsse auf die Finanzierungsstruktur eines Unterenehmens zu. Wie abhängig ist ein Unternehmen von externen Kapitalgebern?
Kapitalumschlag
Die Formel lautet: Kapitalumschlag = Umsatz / Bilanzsumme
Der Kapitalumschlag setzt die Umsätze und Bilanzsumme in Relation. Berechnet wird, wie oft das eingesetzte Kapital über die Umsätze “umgeschlagen” wird. Oder vereinfacht gesagt: Kann bereits mit wenig Kapital viel Umsatz generiert werden? Ziel sollte in der Regel ein möglichst hoher Kapitalumschlag sein.
Anlagendeckung
Die Formel lautet: Anlagendeckung = Eigenkapital / Anlagevermögen
Mit dieser Kennzahl wird ermittelt, in welchem Umfang das Anlagevermögen mit Eigenkapital gedeckt ist. Häufig wird auch zwischen Anlagedeckung ersten, zweiten und dritten Grades unterschieden. Im Idealfall sollen langfristige Vermögensgegenstände möglichst eigenkapitalfinanziert sein.
Umsatzrentabilität
Die Formel lautet: Gewinn / Umsatz * 100
Mit dieser Kennzahl werden Gewinn und Umsatz in Relation gesetzt. Ermittelt wird, wie viel Gewinn pro umgesetztem Euro erzielt wird. Interessant ist hier auch die Entwicklung: Hat es das Unternehmen geschafft, von Jahr zu Jahr “rentabler” zu werden?
Liquidität
Auch bezüglich der Liquidität können Kennzahlen (z.B. Liquidität ersten Grades = flüssige Mittel / kurzfristige Verbindlichkeiten) zum Einsatz kommen. Ermittelt wird hier, ob ein Unternehmen seine Verbindlichkeiten begleichen kann. Ein Unternehmen, dass nicht ausreichend liquide ist, ist (mindestens) insolvenzgefährdet.
Weitere bewährte Kennzahlen sind beispielsweise:
- Working Capital / Net Working Capital
- Forderungsquote
- Vorratsquote
- Eigenkapitalrentabilität
- Gesamtkapitalrentabilität
- Anlagequote
- Umlaufvermögensquote
- Cashflow
Beispiele für die Analyse durch Kennzahlen:
Im Jahresabschluss des Unternehmens X werden folgende Werte ausgewiesen:
- Eigenkapital: 1.100.000 Euro
- Fremdkapital: 400.000 Euro
- Verbindlichkeiten: 300.000 Euro
- Bilanzsumme: 1.800.000 Euro
Die Eigenkapitalquote berechnet sich also wie folgt: (1.100.000 Euro / 1.800.000 Euro) x 100 = 61,1 % (gerundet)
Die Fremdkapitalquote beträgt: (700.000 Euro / 1.800.000 Euro) x 100 = 38,9 % (gerundet)
Eine Eigenkapitalquote von 61,1 % wirkt auf den ersten Blick sehr positiv. Das Unternehmen scheint solide aufgestellt zu sein und könnte (zumindest) mit dieser Kennzahl bei einem Kreditgespräch punkten. Allerdings reicht die Betrachtung einer Kennzahl allein natürlich nicht aus, um sich mit der Liquiditätssituation eines Unternehmens auseinanderzusetzen. Und eine hohe Eigenkapitalquote wirkt sich negativ auf die Eigenkapitalrentabilität aus. Es gilt also, verschiedene Kennzahlen zu betrachten und keine voreiligen Schlüsse zu ziehen.
Abwandlung: In der Bilanz des Unternehmens X werden auf Seite der Passiva folgende Werte ausgewiesen:
- Eigenkapital: 400.000 Euro
- Fremdkapital: 900.000 Euro
- Verbindlichkeiten: 500.000 Euro
- Bilanzsumme: 1.800.000 Euro
Die Eigenkapitalquote berechnet sich also wie folgt: (400.000 Euro / 1.800.000 Euro) x 100 = 22,2 % (gerundet)
Die Fremdkapitalquote beträgt: (1.400.000 Euro / 1.800.000 Euro) x 100 = 77,8 % (gerundet)
Das Unternehmen ist also zu 22,2 % eigenkapitalfinanziert und zu 77,8 % fremdfinanziert. Der Verschuldungsgrad liegt bei 350 %.
Wichtig wäre hier auch zu betrachten: Wie haben sich die Kennzahlen im Vergleich zu den Vorjahreszahlen entwickelt? Was ist branchenüblich? Welche Tendenz lässt sich feststellen? Je nach Branche können diese Werte bereits als kritisch betrachtet werden. Eine hohe Eigenkapitalquote spricht für finanzielle Stabilität. Häufig wird ein Unternehmen mit einer Eigenkapitalquote von mehr als 30 % als solide finanziert betrachtet.
Bei Werten von 20-30 % sollte das Liquiditätsmanagement ggf. bereits reagieren darauf hinarbeiten, die Eigenkapitalquote zu steigern. Liegt der Wert unter 20 %, macht sich das bei der Risikobewertung durch ein Kreditinstitut beispielsweise oft bereits bemerkbar: Die Konditionen für einen Kredit können dann schon deutlich schlechter sein.
Fazit: Bilanzdaten analysieren und Liquiditätssituation verbessern
Die Bilanzanalyse kann gerade auch dem Liquiditätsmanagement wichtige Impulse und frühzeitige Warnhinweise bei einem Liquiditätsengpass geben. Lässt sich noch Kapital freisetzen? Drohen Liquidtätsprobleme? Potenziale durch die Auswertung der Bilanz bleiben hier oft unentdeckt – und das ist leider ein teures Versäumnis!
In einem Jahresabschluss steckt weit mehr als die Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht. Nutzen Sie die vorhandenen Daten und etablieren Sie auch unterjährig eine regelmäßige Bilanzanalyse. Wenn die Struktur hierfür erst einmal steht, lassen sich die Werte regelmäßig schnell analysieren und vergleichen.