In einem Jahresabschluss stecken viele interessanten Informationen zur Vermögens-, Finanz- und Ertragslage eines Unternehmens. Durch Analysen können zahlreiche Erkenntnisse gewonnen werden, beispielsweise dazu, zu welchem Prozentsatz das Vermögen des Unternehmens eigenkapitalfinanziert ist. Hierzu wird die Bilanz genauer betrachtet, Kennzahlen definiert und ermittelt. Doch da eine Bilanz häufig viele Informationen umfasst und sehr umfangreich ist, wird eine Strukturbilanz erstellt. Sie vereinfacht die Ermittlung der Kennzahlen erheblich. Hier ein kleiner Einblick.
Strukturbilanz: Definition
Bei einer Strukturbilanz werden die Daten der Handelsbilanz aufbereitet. Es handelt sich dabei um ein Instrument der Bilanzanalyse. Durch die Aufbereitung der Handelsbilanz werden die Daten übersichtlicher dargestellt, sodass Kennzahlen ermittelt werden können.

Strukturbilanz erstellen
Warum sollte überhaupt eine Strukturbilanz erstellt werden? Bei einer Bilanzanalyse werden zahlreiche Kennzahlen ermittelt. Basis für die Kennzahlen sind bestimmte Bilanzpositionen.
Eine Handelsbilanz wird nach den Vorschriften des Handelsgesetzbuches erstellt. Sie folgt in der Regel einem bestimmten Gliederungsschema und ist entsprechend kleinteilig aufgebaut. Für eine Bilanzanalyse werden jedoch viele Daten verdichtet benötigt und neu aufbereitet. Deshalb ist es zur Vorbereitung einer Analyse von großem Vorteil, wenn eine Strukturbilanz erstellt wird. Sie vereinfacht die weiteren Analysen.

Wichtig: In einer Handelsbilanz sind häufig stille Reserven vorhanden. In einer Strukturbilanz können jedoch die tatsächlichen Werte angesetzt werden. In diesem Fall müssten allerdings einige Umbuchungen vorgenommen werden, die sich auf den Jahresüberschuss – und damit auf das Eigenkapital – auswirken. An dieser Stelle soll jedoch auf stille Reserven oder latente Steuern nicht weiter eingegangen werden.
Umlaufvermögen in der Strukturbilanz
Bei einer Handelsbilanz richtet sich die Gliederung nach § 266 HGB. So wird beispielsweise das Umlaufvermögen wie folgt gegliedert:
I. Vorräte:
- Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe;
- unfertige Erzeugnisse, unfertige Leistungen;
- fertige Erzeugnisse und Waren;
- geleistete Anzahlungen;
II. Forderungen und sonstige Vermögensgegenstände:
- Forderungen aus Lieferungen und Leistungen;
- Forderungen gegen verbundene Unternehmen;
- Forderungen gegen Unternehmen, mit denen ein Beteiligungsverhältnis besteht;
- sonstige Vermögensgegenstände;
III. Wertpapiere:
- Anteile an verbundenen Unternehmen;
- sonstige Wertpapiere;
IV. Kassenbestand, Bundesbankguthaben, Guthaben bei Kreditinstituten und Schecks.
Doch für die Strukturbilanz wird das Umlaufvermögen verdichtet in folgende Positionen:
- Flüssige Mittel (= Mittel 1. Grades): Hier werden Vermögensgegenstände, die in Geld bestehen, erfasst. In der Handelsbilanz findet man diese unter Position III (Wertpapiere) und IV (Kassenbestand, Bundesbankguthaben, Guthaben bei Kreditinstituten und Schecks).
- Forderungen (= Mittel 2. Grades): Dabei handelt es sich um Vermögensgegenstände des Umlaufvermögens, die nicht in Geld bestehen, jedoch zu flüssigen Mitteln werden. In der Handelsbilanz findet man diese unter Position II (Forderung und sonstige Vermögensgegenstände). Doch auch geleistete Anzahlungen (vgl. Position III der Handelsbilanz) und die aktiven Rechnungsabgrenzungsposten werden hierunter gefasst.
- Übriges Umlaufvermögen (= Mittel 3. Grades): In der Handelsbilanz findet man diese unter Position I (Vorräte).
Wird diese Aufbereitung vorgenommen, so können beispielsweise Liquiditätskennzahlen schnell ermittelt werden. So wird beispielsweise die Liquidität ersten Grades wie folgt ermittelt: Mittel 1. Grades / kurzfristige Verbindlichkeiten × 100
Die Strukturbilanz vereinfacht also die Analyse verschiedener Bilanzpositionen erheblich.
Wichtig: Die Strukturbilanz muss nicht gesetzlich verpflichtend erstellt werden. Sie wird zur Bilanzanalyse erstellt. Es gibt daher keine zwingenden Vorschriften, die bei der Erstellung beachtet werden müssen.
Weder gelten die Gliederungsvorschriften des Handelsgesetzbuchs, noch bestimmte Aufstellungsfristen. Sie muss auch nicht im Rahmen der Jahresabschlusserstellung aufbereitet werden – es handelt sich um ein reines Analyseinstrument, dass bei Bedarf genutzt wird. Zudem können sich auch die Gruppierungen und Werte verändern. Das Saldierungsverbot gilt hier nicht – Bilanzpositionen der Aktiva können mit denen der Passiva verrechnet werden.
Fremdkapital in der Strukturbilanz
Und bei der Passivseite? Hier muss beim Fremdkapital mit Feingefühl vorgegangen werden. Entscheidend ist bei der Aufbereitung die Fristigkeit.
- Kurzfristiges Fremdkapital: Verbindlichkeiten, die innerhalb von drei Monaten fällig werden. Das sind beispielsweise Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen. Unter diese Position werden auch die erhaltenen Anzahlungen, Rückstellungen und die passiven Rechnungsabgrenzungsposten gefasst.
- Mittelfristiges Fremdkapital: Verbindlichkeiten, die innerhalb von vier bis zwölf Monaten fällig werden.
- Langfristiges Fremdkapital: Verbindlichkeiten, die nach mehr als 12 Monaten fällig werden. Unter diese Position werden ggf. außerdem auch Pensionsrückstellungen gefasst.
Aufbau und Schema einer Strukturbilanz
Die Strukturbilanz wird regelmäßig nach folgendem Schema aufbereitet:
Aktiva | Passiva |
---|---|
Anlagevermögen, Umlaufvermögen | Eigenkapital, Fremdkapital |
flüssige Mittel (= Mittal 1. Grades), Forderungen (= Mittel 2. Grades), übriges Umlaufvermögen (= Mittel 3. Grades) | kurzfristiges Fremdkapital, mittelfristiges Fremdkapital, langfristiges Fremdkapital |
Strukturbilanz: Erhaltene und geleistete Anzahlungen
Einige Positionen werden in der Strukturbilanz abweichend von der Gliederung der Handelsbilanz ausgewiesen. Erhaltene Anzahlungen werden auf der Passivseite als kurzfristiges Fremdkapital ausgewiesen, geleistete Anzahlungen werden auf der Aktivseite bei den Forderungen berücksichtigt.
Strukturbilanz: Rechnungsabgrenzungsposten
Auch bei den Rechnungsabgrenzungsposten findet eine Umgruppierung statt. Während sie in der Handelsbilanz als eigene Bilanzposition aufgeführt werden, werden die aktiven Rechnungsabgrenzungsposten in der Strukturbilanz den Forderungen und die passiven Rechnungsabgrenzungsposten dem kurzfristigen Fremdkapital zugeordnet.
Strukturbilanz: Disagio
Ein Disagio wird in der Strukturbilanz im Rahmen des Eigenkapitals verrechnet.
Strukturbilanz: Jahresüberschuss
Der Jahresüberschuss wird bei der Position Eigenkapital berücksichtigt. Je höher der Jahresüberschuss – desto höher das Eigenkapital. Wenn das Unternehmen jedoch einen Jahresfehlbetrag erzielt hat, dann wird das Eigenkapital entsprechend gemindert.
Achtung: Ausschüttungen werden als kurzfristiges Fremdkapital gewertet. Auch hier findet dann ggf. also eine Umgruppierung statt.
Strukturbilanz als Basis einer Analyse
Die Strukturbilanz bietet die Ausgangsbasis für die Ermittlung zahlreicher Kennzahlen. So können beispielsweise Kennzahlen über das Vermögen eines Unternehmens ermittelt werden, wie beispielsweise die Anlagenintensität oder Umlaufintensität.
Doch es lässt sich auch ermitteln, wie es um die Finanzierung des Unternehmens steht. Ist das Unternehmen insbesondere durch Eigenkapital finanziert? Oder ist das Unternehmen hauptsächlich fremdfinanziert? Hier können Kennzahlen, wie beispielsweise die Eigenkapitalquote oder Fremdkapitalquote Erkenntnisse liefern.
Die Liquiditätskennzahlen lassen sich auf Basis der Strukturbilanz schnell und einfach ermitteln.
Strukturbilanz: Beispiel (Aufgabe mit Lösung)
Ein Unternehmen veröffentlicht folgende Bilanz. Wir gehen der Einfachheit halber hier davon aus, dass es sich bei den Rückstellungen um Steuerrückstellungen handelt und der Jahresüberschuss nicht ausgeschüttet wird:
Aktiva | TEUR | Passiva | EUR |
---|---|---|---|
A. Anlagevermögen | A. Eigenkapital | ||
Grundstücke, grundstücksgleiche Rechte und Bauten einschließlich der Bauten auf fremden Grundstücken | 900 | Gezeichnetes Kapital | 700 |
Technische Anlagen und Maschinen | 250 | Rücklagen | 90 |
Andere Anlagen, Betriebs- und Geschäftsausstattung | 100 | Jahresüberschuss | 170 |
B. Umlaufvermögen | B. Rückstellungen (Steuerrückstellungen) | C. Verbindlichkeiten | |
Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe | 100 | C. Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten | 400 |
Unfertige Erzeugnisse, unfertige Leistungen | 15 | Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten | 400 |
Fertige Ereugnisse und Waren | 50 | Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen | 205 |
Forderungen aus Lieferungen und Leistungen | 260 | ||
Bankguthaben | 90 | ||
Bilanzsumme | 1.765 | Bilanzsumme | 1.765 |
Diese Bilanz soll nun aufbereitet werden, damit verschiedene Kennzahlen ermittelt werden können. Wie sieht die Strukturbilanz aus?
Lösung:
Aktiva | TEUR | Passiva | TEUR |
---|---|---|---|
Anlagevermögen | 1.250 | Eigenkapital | 960 |
Umlaufvermögen | Fremdkapital | ||
flüssige Mittel (= Mittel 1. Grades) | 90 | kurzfristiges Fremdkapital | 405 |
Forderungen (= Mittel 2. Grades) | 260 | mittelfristiges Fremdkapital | |
übriges Umlaufvermögen (= Mittel 3. Grades) | 165 | langfristiges Fremdkapital | 400 |
Ausgehend von der Strukturbilanz könnten nun verschiedene Kennzahlen ermittelt werden. Beispielsweise die
- Eigenkapitalquote = (Eigenkapital 960 TEUR / Bilanzsumme 1.765 TEUR) x 100 = 54,4 Prozent
- Fremdkapitalquote = (Fremdkapital 805 TEUR / Bilanzsumme 1.765 TEUR) x 100 = 45,6 Prozent
Hinweis: Natürlich sehen viele Bilanzen umfangreicher und komplexer aus. Doch aus diesem einfachen Beispiel wird ersichtlich: Die Strukturbilanz verdichtet viele Werte und nimmt Umgruppierungen vor.
Fazit: Strukturbilanz ist der erste Schritt zur Bilanzanalyse
Die Erstellung einer Strukturbilanz macht immer dann Sinn, wenn bestimmte Kennzahlen ermittelt werden sollen. Sie ist daher ein wichtiges Instrument, damit eine Bilanzanalyse erfolgen kann. Die Strukturbilanz kann dabei nicht nur vom Unternehmen selbst erstellt werden. Auch Investoren oder Analysten können diese auf Basis des Jahresabschlusses eines Unternehmens aufbereiten.