Besser als Management-by-Kontostand: So klappt mehr Liquidität in der Arztpraxis

Lesezeit: 5 Min
Viele Patient:innen und ein strenger Terminplan: Dann müsste doch auch die Liquidität in der Arztpraxis passen, oder?

Arztpraxen stehen heute unter einem erheblichen Druck: Patient:innen sollen bestmöglich medizinisch versorgt werden. Doch steigende Kosten setzen auch medizinische Einrichtungen unter Druck. Die Abrechnungsprozesse sind alles andere als einfach und können bei Problemen sogar Liquiditätsengpässe verschärfen. Wie kann die Liquidität in der Arztpraxis durch besseres Cashflow-Management gesichert werden?

Arztpraxis: Cashprobleme vermeiden

Viele Patient:innen und ein strenger Terminplan: Dann müsste doch auch der Cashflow in der Arztpraxis passen, oder? Doch ganz so einfach ist das nicht. Auch viele Praxen kämpfen aktuell mit einer angespannten Kostensituation. Und auf der Einnahmenseite gibt es komplexe Abläufe, die nicht einfach erfolgreich umzusetzen sind. Ein gutes Liquiditätsmanagement hängt deshalb u.a. sowohl davon ab, die Kosten im Griff zu halten, als auch ein professionelles Abrechnungssystem einzurichten.

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Hohe Kosten belasten Arztpraxen

Auch im medizinischen Bereich sorgen Preissteigerungen für erhebliche Herausforderungen. So sind die Energiepreise deutlich höher als zuvor und auch der Fachkräftemangel macht sich auf der Kostenseite bemerkbar. Viele Arbeitgeber müssen attraktivere Gehälter bieten um Top-Fachkräfte für die Praxis zu gewinnen – und zu halten. Doch neben Energiekosten und Personalkosten gibt es zahlreiche weitere Posten, beispielsweise

  • Mietaufwendungen,
  • Material- und Laborkosten,
  • Versicherungsbeiträge,
  • IT- und Softwarekosten,
  • Fortbildungskosten,
  • Kosten für Hygienemanagement + Qualitätsmanagement u.v.m.

Bei der Gründung einer Praxis muss zudem viel Kapital in die Praxiseinrichtung (z.B. medizinische Geräte) investiert werden. Wurde Fremdkapital dafür aufgenommen, müssen auch die Zins- und Tilgungszahlungen geleistet werden.

Die Praxis benötigt deshalb ausreichend Liquidität, damit sie dauerhaft existenziell gesichert ist. Doch große Herausforderungen, damit die liquiden Mittel überhaupt erwirtschaftet werden können, liegen im Abrechnungsprozess.

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Einnahmen einer Arztpraxis

Bei der Erzielung von Umsatz in einer Arztpraxis gibt es verschiedene Varianten. Entscheidend ist beispielsweise, ob es sich eine Praxis handelt, die kassenärztliche und/oder privatärztliche Leistungen anbietet. Doch auch sog. individuelle Gesundheitsleistungen (kurz: IGeL) werden abgerechnet. Besonderheiten ergeben sich beispielsweise zudem bei der Abrechnung von Patient:innen, die einen Betriebsunfall hatten. Im Ergebnis muss eine Arztpraxis unterschiedliche Liquiditätsströme steuern, die aufgrund der verschiedenen Abrechnungsprozesse bestimmt werden.

Liquidität in der Arztpraxis: Komplexe Abrechnung

Wie funktioniert die Abrechnung einer Arztpraxis? Warum ist die Abrechnung so komplex? Und warum liegt gerade hier ein Liquiditätsrisiko? An dieser Stelle kann der Abrechnungsprozess nicht vollständig dargestellt werden – zu umfangreich und kleinteilig sind die Fragestellungen. Doch um die Problematik kurz zu verdeutlichen, sei hier ein kleiner Einblick gegeben:

Abrechnung gesetzliche Krankenversicherung

Wenn eine Arztpraxis gesetzliche Kassenpatient:innen behandelt, wird nicht mit dem jeweiligen Patient oder seiner Krankenkasse direkt abgerechnet sondern mit der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) des Bundeslandes, in dem die Praxis niedergelassen ist.

Tipp: Auf der Homepage der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung finden sich zahlreiche Informationen zum Abrechnungsprozess, wie beispielsweise Merkblätter, FAQ‘s u.v.m.

Die Arztpraxis kann hierbei nicht einfach selbst bestimmen, welche Rechnungsbeträge sie mit der KV abrechnen will. Abrechnungsgrundlage ist der sog. Einheitliche Bewertungsmaßstab (EBM), welcher zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und den Spitzenverbänden der Krankenkassen im Bewertungsausschuss vereinbart wird. Bei der Abrechnung muss die Arztpraxis also die Einzelleistung je Patient nach dem entsprechenden Leistungskatalog ermitteln. Eine Praxissoftware unterstützt hier den Prozess durch Automatisierungslösungen.

Quartalsweise werden die Einzelleistungen gesammelt in einer Abrechnungsdatei aufgeführt und an die KV elektronisch übermittelt. Dabei sind Vorgaben, wie Abgabefristen, Pflichtangaben u.v.m. einzuhalten. Die KV prüft dann diese Abrechnung auf Plausibilität. Bei Beanstandungen werden die Korrekturwünsche an die Praxis zurückgespielt. Diese hat dann die Gelegenheit die Korrekturen umzusetzen oder Einspruch einzulegen. Der Prozess kann sich über mehrere Wochen hinziehen.

Die KV leistet an die Praxis – basierend auf Abrechnungsdaten aus der Vergangenheit – monatliche Abschlagszahlungen, damit die Praxis liquide bleibt. Die Schlussabrechnung des jeweiligen Quartals erfolgt erst im übernächsten Quartal.

Liquidität: Abrechnung und Konflikte

Problematisch ist hier insbesondere, wenn sich die Arztpraxis und die KV nicht einig werden. Wenn also die Arztpraxis eine Behandlung durchführt, die aus ihrer Sicht medizinisch die beste Lösung für den Patienten darstellt, die KV dies jedoch abrechnungstechnisch ablehnt, dann kann es vorkommen, dass bestimmte ärztliche Einzelleistungen überhaupt nicht bezahlt werden.

Der Arzt oder die Ärztin stehen also im Alltag dann ggf. vor dem Dilemma: Wie gelingt die optimale Patientenversorgung und ist dies auch in der Abrechnung effizient? Hier können sich je nach Einzelfall Konflikte ergeben. Zudem sind die gesetzlichen Vorgaben streng und der bürokratische Aufwand hoch.

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Abrechnung Private Krankenversicherung

Bei privatversicherten Patient:innen sieht die Abrechnung noch einmal anders aus. Grundsätzlich wird nach der Behandlung eine Rechnung mit Zahlungsziel gestellt, die der Patient dann bezahlen muss. Die Praxis hat hier bei der Honorierung die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) zu beachten, kann jedoch ggf. einen höheren Steigerungsfaktor bei der Abrechnung ansetzen. Allerdings wird das nicht von jeder Krankenversicherung akzeptiert. Und je nach Versicherungsvertrag gibt es Einschränkungen.

Hinweis: Es gibt auch Einzelfälle, in denen Patient:innen eine Abtretungserklärung abgeben und die Praxis so mit der Krankenversicherung direkt abrechnen kann.

Bei der Rechnungsstellung an Privatpatient:innen muss eine Arztpraxis verschiedene Aspekte bedenken. Wenn es sich um einen sehr hohen Rechnungsbetrag handelt, wird häufig eine großzügige Zahlungsfrist gewährt. Der Grund: Wenn beispielsweise ein privatversicherter Krebspatient eine Bestrahlung bekommt und der Rechnungsbetrag für die Behandlung sich auf 8.000 Euro beläuft, dann kann der Patient dies ggf. nicht ohne Weiteres vorstrecken. Mit einer Zahlungsfrist von beispielsweise einem Monat hat der Patient die Chance, die Rechnung bereits bei der Krankenversicherung einzureichen und die Bezahlung abzuwickeln, ohne in finanzielle Nöte zu geraten.

Für die Praxis heißen großzügige Zahlungsfristen jedoch auch, dass sie länger auf Zahlungseingang warten muss. Außerdem müssen die Zahlungsfristen geprüft und ggf. Zahlungserinnerungen oder Mahnungen versandt werden.

Die Abrechnung mit Privatpatient:innen ist also komplex und aufwendig. Nicht selten werden diese Prozesse deshalb ausgelagert an Dienstleister, die hier mit viel Fachwissen punkten. Aber Achtung. Hierfür fallen Kosten an, beispielsweise je nach Abrechnungssumme (zum Beispiel 2 % der Abrechnungssumme). Und: Die Arztpraxis bleibt verantwortlich und muss sicherstellen, dass der Abrechnungsprozess korrekt ist.

Auch Factoring kann für Arztpraxen interessant sein. So werden Forderungsausfälle vermieden und die Praxis kann zeitnah den Zahlungseingang nach Behandlungsende generieren. Allerdings entstehen auch hierfür Kosten.

Wichtig: Professionelle Abrechnungsprozesse sind liquiditätssichernd. Nur so kann eine Arztpraxis auf Dauer bestehen. Akribisches Arbeiten und gutes Fachwissen zu den Abrechnungsbesonderheiten sind deshalb unbedingt erforderlich.

Liquidität in der Arztpraxis: Individuelle Gesundheitsleistungen

Eine gute Möglichkeit, noch mehr Einnahmen zu generieren, stellen individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) dar. Diese Leistungen werden von der Krankenversicherung nicht übernommen. Patient:innen müssen diese selbst bezahlen. Bei der Rechnungsstellung muss beachtet werden, dass je nach Leistung Umsatzsteuer anfallen kann. Hier kann es sinnvoll sein, Hilfe durch Steuerberatung in Anspruch zu nehmen, um den Rechnungsprozess korrekt zu gestalten. Fehler bei der Umsatzsteuer können die Liquidität einer Praxis zusätzlich belasten.

Weitere Möglichkeiten zur Liquiditätssteigerung

Eine Arztpraxis kann, je nach Fachrichtung, Rechtsform und Größe, verschiedene Möglichkeiten abwägen, wie noch mehr Umsatz generiert werden kann. So kann beispielsweise eine ambulante spezialfachärztliche Versorgung oder eine Hausarztvermittlung weitere Budgetmöglichkeiten bieten.

Bei Liquiditätsproblemen kann es auch erforderlich sein, die Praxisgröße und -ausrichtung noch einmal zu prüfen:

  • Sollte sich die Praxis auf bestimmte Behandlungsstrategien fokussieren, die rentabler sind?
  • Wie kann dennoch die Patientenversorgung bestmöglich gesichert werden?
  • Gibt es Möglichkeiten zur Kostensenkung?

Arztpraxis: Krise frühzeitig erkennen

Liquiditätsprobleme kündigen sich in einer Arztpraxis häufig durch verschiedene Merkmale an. So können beispielsweise folgende Situationen bereits Alarmsignale sein:

  • Steigende Kosten bei gleichbleibenden oder sinkenden Umsätzen
  • Personalnot und Schwierigkeiten in der Patientenversorgung
  • Rückgang von Patient:innen bzw. Rückgang der Patientenzufriedenheit
  • Viele Korrekturen und Beanstandungen seitens der Krankenversicherungen bei der Abrechnung
  • Immer mehr Bedarf an Fremdkapital

Liquiditätsschwierigkeiten sind eine existenzielle Bedrohung. Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung sind Gründe für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens. Das Praxismanagement muss deshalb sicherstellen, dass liquide Mittel ausreichend vorhanden sind.

Strategie und Controlling in einer Arztpraxis

Eine Arztpraxis muss – wie andere Unternehmen auch – eine klare Strategie verfolgen. So muss sich die Praxis ebenfalls mit Wettbewerbern messen. Wie kann mehr Wachstum erzielt werden? Gerade die Frage, wie mehr liquide Mittel erwirtschaftet werden kann, ist in diesem Bereich auch stark von gesetzlichen Vorgaben abhängig. Neue wissenschaftliche und medizintechnische Entwicklungen beeinflussen das Geschäftsmodell ebenfalls. Im Fokus muss die Patientenversorgung stehen – doch zur existenziellen Sicherung muss auch die Zahlungsfähigkeit immer gewährleistet sein.

Die unterschiedlichen Liquiditätsströme durch die verschiedenen Abrechnungsprozesse müssen gesteuert werden. Verschiedene Kennzahlen können dabei helfen, die Entwicklung der Arztpraxis besser beurteilen zu können, so beispielsweise:

  • Cashflow
  • Umsatzrentabilität
  • Eigenkapitalrentabilität
  • Gesamtkapitalrentabilität
  • Liquidität 1., 2. oder 3 Grades
  • Personalkostenquote

Allerdings ist in vielen Praxen kein professionelles Controlling im Einsatz. Daten in Echtzeit fehlen dem Management häufig. Doch gerade für die Liquiditätsplanung können Controllingmaßnahmen bereits für mehr Transparenz sorgen. Wer den Cashflow in Echtzeit steuern kann, erkennt auch mögliche Fehlentwicklungen zeitnah und kann strategische Entscheidungen treffen. Moderne Softwarelösungen können hier Abhilfe schaffen.

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