Liquiditätsreserve: Wie Unternehmen sie einsetzen sollten

Liquiditätsreserve: Definition und Erklärung
Bei einer Liquiditätsreserve für Unternehmen handelt es sich - umgangssprachlich gesagt - um den „Notgroschen für schlechte Zeiten". Es wird also ein Betrag an liquiden Mitteln „beiseite" gelegt für den Fall, dass plötzliche, unerwartete finanzielle Herausforderungen entstehen.
Diese Reserve sichert das Unternehmen ab. Es bleibt durch die Liquiditätsreserve finanziell stabil und kann flexibel auf ein unvorhergesehenes Ereignis reagieren.
Achtung: Im Alltag wird in diesem Zusammenhang auch oft von Rücklagen gesprochen. Der Begriff Rücklagen bringt im Bilanzsteuerrecht allerdings einige Besonderheiten mit sich. Gesetzliche Rücklagen müssen beispielsweise gebildet werden und können nicht ohne Weiteres verwendet werden. In diesem Beitrag soll jedoch nicht die bilanzielle Behandlung im Fokus stehen.
Hinweis: Besonderheiten gelten außerdem bei der Liquiditätsreserve für Banken. Hier gibt es strenge Regularien - doch in diesem Beitrag soll es um die Liquiditätsreserve für Unternehmen gehen.
Wichtig: Mit einer Liquiditätsreserve hat ein Unternehmen ein Polster für finanziell schwierige Zeiten!
Wann eine Liquiditätsreserve benötigt wird
Es kann im Wirtschaftsleben unterschiedliche Gründe geben, warum ein Unternehmen auf eine Liquiditätsreserve zurückgreifen muss, beispielsweise
· Unerwartete und höhere Kosten: Die Corona-Pandemie sorgte beispielsweise in vielen Firmen zu unerwarteten Kosten. So mussten viele Firmen beispielsweise in Masken, Desinfektionsmittel, IT-Ausstattung für Mitarbeiter im Homeoffice u.v.m. investieren. Doch auch die Energiekrise oder Lieferkettenprobleme sorgten in vielen Unternehmen für unerwartete (oder höhere) Kosten. Auch unerwartete Steuernachzahlungen können ein Unternehmen finanziell schnell in eine schwierige Lage bringen. Mit einer Liquiditätsreserve können unerwartete oder höhere Kosten bewältigt werden.
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Finanzielle Notfälle: Wenn Forderungen ausfallen, weil beispielsweise Geschäftspartner insolvent werden, kann auch das eigene Unternehmen in Not geraten. Mit einer Liquiditätsreserve können Firmen auch solche Situationen meistern, ohne direkt den Weg zur Hausbank gehen und Fremdkapital aufnehmen zu müssen.
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Investitionen: Eine Liquiditätsreserve kann auch dann von Vorteil sein, wenn ein Unternehmen beispielsweise einen großen Schritt geht und ein anderes Unternehmen übernimmt. Doch auch Investitionen in innovative neue Maschinen, Produkte, Prozesse u.ä. können dank finanzieller Reserven gewagt werden.
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Schwankende Umsätze: Wenn Unternehmen Geschäftsmodelle anpassen, kann sich das auch auf die Umsätze erst einmal negativ auswirken. Und in manchen Branchen sind saisonbedingt Schwankungen der Umsätze üblich. Mit einer Liquiditätsreserve können jedoch die laufenden Kosten auch dann gedeckt werden, wenn die Umsätze einmal niedriger ausfallen.
Beispiel: Mit Ausbruch der Corona-Pandemie wurden viele Unternehmen weltweit von Lockdownmaßnahmen kalt erwischt. In manchen Branchen kam es zu massiven Umsatzeinbrüchen. Wer hier auf keine (oder zu knappe) Liquiditätsreserven zurückgreifen konnte, musste schnell um die eigene Existenz fürchten. In Deutschland wurden deshalb Coronahilfen gewährt, um große Insolvenzwellen zu vermeiden.
Sinn und Zweck der Liquiditätsreserve
Die Liquiditätsreserve kann also verwendet werden, kurzfristige Verbindlichkeiten wie Lieferantenrechnungen oder Lohnzahlungen pünktlich zu begleichen, wenn die Liquidität knapp geworden ist.
Zudem verringert eine ausreichende Liquiditätsreserve das Risiko, dass ein Unternehmen zahlungsunfähig wird oder gezwungen ist, Vermögenswerte zu verkaufen, um Verbindlichkeiten zu begleichen. Auch bei anstehenden Investitionen erleichtert eine Liquiditätsreserve die finanziellen Herausforderungen. Die Liquiditätsreserve sollte bereits im Businessplan geplant werden.
Die Liquiditätsreserve stärkt die Finanzierung eines Unternehmens. Wer auf eigene Mittel zur Not zurückgreifen kann, muss kein (teures) Fremdkapital in Anspruch nehmen.
Wichtig: Zu wenig Liquidität ist eine der häufigsten Insolvenzursachen
Bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung rutscht ein Unternehmen in die Insolvenz. Eine sorgfältige Liquiditätsplanung ist ein wichtiger Schritt, sich vor einer möglichen Liquiditätskrise zu schützen. Hier kann auch bereits berechnet werden, wie viele Mittel als Reserve voraussichtlich beiseitegelegt werden können. Voraussetzung ist allerdings auch, dass Überschüsse erwirtschaftet werden, sodass ein Teil als „feste Reserve" gebildet werden kann.
Liquiditätsreserve berechnen
Doch wie hoch sollte eine Liquiditätsreserve überhaupt sein? Hier müssen Unternehmen die richtige Balance finden. Einerseits sollte die Liquiditätsreserve hoch genug sein, damit sie tatsächlich ein Unternehmen in einer schwierigen Situation absichern kann.
Andererseits ist es nicht sinnvoll, zu viele Mittel ungenutzt beiseitezulegen. Ein Unternehmen, dass zu viel Kapital als „Sicherheit" parkt, kann diese Mittel nicht nutzen, um beispielsweise mehr Wachstum zu erzielen oder auch neue Investitionen (zum Beispiel in moderne Technologien) zu tätigen. Das wirkt sich langfristig negativ auf die Rentabilität aus.
Doch um berechnen zu können, wie viele Reserven gebildet werden können, benötigt ein Unternehmen erst einmal Kenntnisse darüber, wie viel freie Liquidität vorhanden ist. Eine fundierte Liquiditätsplanung ist deshalb von großer Bedeutung.
Was ist freie Liquidität?
Als freie Liquidität wird der Teil der liquiden Mittel bezeichnet, den ein Unternehmen zur Verfügung hat, nachdem alle kurzfristigen Verbindlichkeiten und laufenden Kosten beglichen wurden. Dieser Betrag steht also zur freien Verfügung und kann beispielsweise genutzt werden, um zukünftige Investitionen, unerwartete Kosten, Schuldentilgung oder andere finanzielle Bedürfnisse zu decken.
Hinweis: Nicht nur Unternehmen benötigen freie Liquidität. Auch Privatpersonen sollten Liquiditätsreserven bilden. Deshalb werden diese Begrifflichkeiten von Schuldnerberatern auch bei Privatpersonen genutzt.
Freie Liquiditätsreserven: Berechnung
Liquide Mittel können in verschiedenen Formen vorhanden sein, beispielsweise:
· Bankguthaben
· Kassenguthaben
· Wertpapiere
· Kurzfristige Forderungen
Wichtig: Im Idealfall können Unternehmen in Echtzeit einen Überblick behalten, in welcher Höhe liquide Mittel verfügbar sind. Moderne Tools bieten hier bereits tagesaktuelle Analysen.
Wie hoch ist die Liquidität eines Unternehmens? Hier können verschiedene Kennzahlen ermittelt werden. Insbesondere folgende Liquiditätskennzahlen kommen häufig zum Einsatz:
Liquidität 1. Grades
Formel: Liquide Mittel / kurzfristige Verbindlichkeiten × 100
Liquidität 2. Grades
Formel: (Liquide Mittel + kurzfristige Forderungen) / kurzfristige Verbindlichkeiten × 100
Liquidität 3. Grades
Formel: Umlaufvermögen / kurzfristige Verbindlichkeiten x 100
Lesen Sie hierzu auch: Was ist eigentlich Liquidität? Alles zu Definition, Grade und Formeln
Mit diesen Kennzahlen kann bereits ein Eindruck gewonnen werden, wie es um die Liquidität eines Unternehmens steht. Bei Überschüssen kann erwogen werden, wie diese verwendet werden sollen.
Bevor jedoch Liquiditätsreserven gebildet werden, müssen zuerst Verbindlichkeiten und laufende Kosten bedient werden. Dies ist elementar wichtig, denn wenn beispielsweise Lohn- und Mietzahlungen nicht bezahlt werden können, geht bei einem Unternehmen schnell das Licht aus.
Lesen Sie hierzu auch: Was gehört alles zu den laufenden Kosten?
Höhe der Liquiditätsreserve berechnen: Keine eindeutige Formel
Wie hoch die Liquiditätsreserve sein sollte, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Die Unternehmensgröße, Branchenzugehörigkeit, gesetzten Ziele u.v.m. haben einen Einfluss darauf, wie viele Reserven gebildet werden sollten.
Nimmt man beispielsweise ein Unternehmen der Baubranche, so werden vergleichbar hohe Reserven benötigt. Schließlich müssen Materialien beschafft werden und häufig gehen Zahlungen verzögert ein. Auch mögliche Zahlungsausfallrisiken oder unerwartete Kostensteigerungen müssen berücksichtigt werden.
Zum Vergleich: Ein Dienstleistungsunternehmen muss hingegen weniger Materialen aufwenden, und zieht deshalb andere Branchenwerte heran.
Unternehmen sollten deshalb insbesondere branchenspezifische Besonderheiten beachten. Bei Privatpersonen empfehlen Schuldnerberater häufig, etwa zwei bis drei Netto-Monatsgehälter als Reserve zu planen. Es kann sinnvoll sein, wenn auch ein Unternehmen beispielsweise die laufenden Kosten und Verbindlichkeiten von drei bis sechs Monaten berechnet und als Mindestwert einer Liquiditätsreserve ansetzt. Insbesondere, wenn es sich um ein recht junges Unternehmen handelt und Zahlungseingänge nach den ersten erfüllten Aufträgen noch unregelmäßig eingehen. Ob dies jedoch ausreicht, hängt - wie bereits beschrieben -- u.a. von Unternehmensgröße, Branche und möglichen Risiken ab.
Maßgeblich für die Liquiditätsreserve sind also mögliche Risiken und die Zahlungsverpflichtungen des Unternehmens. Und diese sind individuell. Es gibt keine einheitliche Standardlösung! Nur eine sorgfältige Liquiditätsplanung mit möglichst belastbaren Daten kann eine konkrete Basis für die Berechnung der Liquiditätsreserve liefern.
Tipp: Gerade bei jungen Unternehmen kann es sinnvoll sein, sich bei Unsicherheiten Expertenrat von Finanzberatung und Steuerberatung einzuholen.
Liquiditätsreserve: Barreserve und Guthaben bei der Bank
Eine Liquiditätsreserve kann beispielsweise als Bargeld in der Kasse vorhanden sein. Doch auch ein Guthaben auf dem Bankgirokonto kann als Liquiditätsreserve gehalten werden.
Hinweis: Viel Bargeld ist mit Risiken verbunden
Viele Unternehmen vermeiden es, hohe Bestände an Bargeld in einer Kasse zu halten. Schon allein das Diebstahlrisiko macht diese Form der Liquiditätsreserve nicht besonders attraktiv. Zudem ist es nicht rentabel, viel Geld in einer Kasse liegen zu lassen.
Liquiditätsreserve: Wertpapiere
Eine Liquiditätsreserve muss nicht zwingend als Barreserve oder Bankguthaben vorgehalten werden. Manch ein Unternehmen erwägt die Anlage in Wertpapiere. Der Grund hierfür ist einfach: Geld, dass zurückgelegt wirkt für schlechte Zeiten, kann auf diese Weise dennoch für das Unternehmen „arbeiten". Durch die Anlage in Wertpapiere kann die Rentabilität des Unternehmens gesteigert werden.
Als Wertpapiere kommen beispielsweise infrage
· Aktien
· festverzinsliche Wertpapiere (Anleihen)
· Investmentfonds und weitere Anlagevarianten
Liquiditätsreserve: Aktien, Anleihen oder Aktienfonds?
Entscheidend ist, dass eine Anlage gewählt wird, bei der die Mittel bei Bedarf schnell als Barmittel verfügbar gemacht werden. Zudem muss entschieden werden, wie viel Risiko bei der Anlagenform eingegangen werden soll.
Eine Staatsanleihe gilt (je nach Anleihe) beispielsweise als vergleichbar sichere Anlage, die aber auch eine eher niedrige Rendite bietet. Ein Investmentfonds ist leicht zugänglich und kann eine attraktive Rendite bieten. Einzelne Aktien können hingegen risikobehafteter sein.
Hier gilt es, abzuwägen, und die für das Unternehmen passende Anlagestrategie zu treffen. Ein Finanzberater kann hier wichtige Tipps und Hinweise geben.
Wichtig: Die Steuer nicht vergessen!
Auch bei Einnahmen durch Wertpapiere entstehen steuerliche Belastungen. Hier sollten Unternehmen in der Liquiditätsplanung deshalb sowohl die Kosten also auch die Steuer für die Anlagevariante berücksichtigen.
Liquiditätsreserve bewerten
Unternehmen sollten in ihrer Liquiditätsplanung regelmäßig einen Blick auf die Liquiditätsreserve werfen und hinterfragen: Reicht die Reserve aus? Oder sollte vielleicht sogar die Reserve etwas reduziert werden und freie Mittel für Investitionen genutzt werden?
Hinweis: Neue wirtschaftliche Entwicklungen können auch zu einer neuen Beurteilung führen. In Zeiten von Lieferkettenproblemen muss beispielsweise mit höheren Kosten gerechnet werden, insbesondere, wenn es sich um ein produzierendes Unternehmen handelt und bestimmte Materialien dringend benötigt werden. Doch auch steigende Kosten bei der Beschaffung von Fremdkapital kann ein Umdenken erfordern.
Liquiditätsreserve bekommen: So steigern Unternehmen ihren finanziellen Puffer
Wie gelingt der Aufbau einer Liquiditätsreserve? Gerade, wenn die finanzielle Situation bereits angespannt ist, müssen zeitnah Maßnahmen ergriffen werden, um die Liquidität zu steigern. Nur dann kann auch ein „Puffer" aufgebaut werden. Mögliche Maßnahmen können beispielsweise sein:
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Verbessertes Forderungsmanagement: Außenstände werden reduziert und Zahlungseingänge schneller erzielt.
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Factoring: Forderungsausfälle werden vermieden (allerdings müssen die Factoringkosten auch bereits beim Pricing berücksichtigt werden).
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Leasing statt Kauf: Der Kauf von Anlagegütern ist oft mit einer hohen Investition verbunden, die die Liquidität erheblich angreift (zum Beispiel bei Maschinen). Leasing kann hier eine interessante Alternative sein.
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Kosten senken: Werden Kosten gesenkt, beispielsweise durch einen bewussteren Ressourcenverbrauch, dann stehen auch mehr liquide Mittel zur freien Verfügung.
FAQ: Häufig gestellte Fragen zur Liquiditätsreserve
Was ist eine Liquiditätsreserve?
Mit einer Liquiditätsreserve legen Unternehmen freie Mittel beiseite, um später finanzielle Herausforderungen bewältigen zu können.
Was bedeutet freie Liquidität?
Als freie Liquidität werden die liquiden Mittel bezeichnet, die ein Unternehmen nach Deckung seiner Verbindlichkeiten und laufenden Kosten zur Verfügung hat.
Was sind Wertpapiere der Liquiditätsreserve?
Wertpapiere der Liquiditätsreserve werden von Unternehmen gehalten, um einen Teil ihrer Liquiditätsreserve zu maximieren. Anstatt also beispielsweise Mittel als Bargeld in der Kasse oder als Bankguthaben zu halten, werden Wertpapiere eingesetzt. Diese sollen bei Bedarf leicht als Barmittel verfügbar sein -- liefern jedoch dem Unternehmen eine gewisse Rendite.
Wie können kurzfristige Liquiditätsreserven gebildet werden?
Eine Steigerung der Liquidität ist erforderlich, damit Reserven gebildet werden können. Das gelingt beispielsweise durch eine Steigerung der Umsätze, den Verkauf nicht mehr benötigter Anlagegüter, der Verringerung von Außenständen oder der Senkung von Kosten.
Wie hoch sollte eine Liquiditätsreserve sein?
Die Höhe hängt von Unternehmensgröße, Branche und vor allem den Zahlungsverpflichtungen ab. Es sollte genug zurückgelegt werden, damit bei fehlenden/verspäteten Zahlungseingängen keine existenzielle Krise droht. Doch zu hohe Reserven hemmen das Unternehmenswachstum.
