Forderungseinzug: Über welche Optionen verfügt ein Unternehmen?

Umsätze allein führen noch nicht zu einer stabilen Liquiditätssituation. Wenn Unternehmen hohe Außenstände haben, können sie trotz erfolgreicher Geschäfte schnell an ihr finanzielles Limit geraten. Doch die Realität sieht so aus, dass einige Kund:innen eine Rechnung gestellt bekommen – und zunächst einmal nicht bezahlen. Das kann viele Gründe haben: Wenn einem Kunden ein Kredit gewährt wurde, bleibt das Geld erst einmal aus. Einkauf auf Kredit ist vor allem im B2B-Business eine beliebte Vereinbarung. Doch leider geraten auch viele Kund:innen in Zahlungsverzug. Wie kann das Forderungsmanagement erfolgreich gestaltet werden? Hier muss jedes Unternehmen eine individuelle Lösung finden. Beim Forderungseinzug gibt es für Unternehmen spannende Optionen. Hier ein kleiner Überblick.
Forderungseinzug: Definition
Wie der Begriff bereits vermuten lässt, geht es beim Forderungseinzug um die Einziehung einer Forderung. Der Anspruch auf eine Forderung wird also erfolgreich geltend gemacht und die Forderung wird eingelöst. Das kann zahlungstechnisch beispielsweise durch das Lastschriftenverfahren oder auch andere Zahlungsformen umgesetzt werden.

Der Forderungseinzug kann sowohl außergerichtlich als auch gerichtlich erwirkt werden. Sehr geläufig sind in diesem Zusammenhang auch die Begriffe Inkasso oder Forderungsinkasso. Dazu später mehr.
Forderungseinzug: Bedeutung
Vielen Unternehmen bereiten die globalen Lieferkettenprobleme Kopfzerbrechen. Nicht nur, dass Produkte und Materialen nicht (oder verzögert) verfügbar sind: Auch mögliche Zahlungsausfälle bedrohen die Liquiditätssituation vieler Firmen. Wie groß die Sorgen bereits sind, zeigt beispielsweise eine Studie. Die Kreditversicherungsgruppe Allianz-Trade befragte rund 2.500 Unternehmen zu den Exportaussichten 2022: 93 % der Befragten sehen mögliche Zahlungsausfälle als Risiko. 58 % rechnen mit mehr Zahlungsausfällen.
Zahlungsausfälle sind jedoch für das Liquiditätsmanagement das Worst-Case-Szenario. Wie soll das eigene Geschäft bestehen, wenn Kund:innen die Rechnungen nicht begleichen? Im schlimmsten Fall kann trotz hoher Umsätze eine Insolvenz drohen. Für Unternehmen ist es deshalb von enormer Bedeutung, dass ihre Forderungen tatsächlich durchgesetzt und eingezogen werden. Das Thema Forderungsmanagement scheint also immer dringlicher und in seiner Bedeutung immer wichtiger zu werden. Beim Forderungseinzug können Unternehmen zwischen verschiedenen Optionen wählen.
Forderungseinzug: Verschiedene Verfahren
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie Unternehmen offene Forderungen beitreiben können. Unternehmen können selbst tätig werden durch die Implementierung eines Forderungsmanagements. Dazu gehört das Überwachen der offenen Forderungen, das Schreiben von Zahlungserinnerungen, Mahnschreiben und ggf. das Ansteuern eines gerichtlichen Mahnverfahrens.
Doch bei all diesen Maßnahmen drohen dem Unternehmen dennoch Forderungsausfälle. Was, wenn alle Maßnahmen erfolglos bleiben? Dann wurde viel Zeit und Aufwand in das Beitreiben der Forderungen gesteckt und die Kund:innen bezahlen dennoch nicht.
Für Unternehmen kann es daher attraktiv sein, beim Forderungseinzug Unterstützung zu suchen. Externe Dienstleister bieten Services an, um den Forderungseinzug zu erwirken – aber natürlich gegen Gebühr! Achtung: Auch diese Kosten müssen Unternehmen miteinkalkulieren und ggf. sogar ihre Preise anpassen.
Forderungseinzug für Dritte
Drohende Forderungsausfälle sind mittlerweile eine Herausforderung für alle Unternehmen. Nicht nur Konzerne müssen Strategien zur Liquiditätssicherung erarbeiten. Auch KMU greifen auf Angebote professioneller Dienstleister zurück, um Forderungsausfälle zu vermeiden. Der Forderungseinzug für Dritte ist ein Geschäftsmodell. Sehr bekannt sind beispielsweise Begriffe wie Factoring, Forderungsabtretung oder auch Inkasso.
Beispiel: Nicht wenige Unternehmen entscheiden sich heute bereits dazu, Factoring zu nutzen. Das heißt, sie verkaufen in der Regel alle ihre Forderungen, sodass der Forderungskäufer den kompletten Forderungseinzug übernimmt. Dafür muss eine Gebühr an den Forderungskäufer entrichtet werden. Der Vorteil jedoch: Der Forderungsverkäufer trägt nicht mehr das Risiko eines Forderungsausfalls. Zudem muss er kaum Ressourcen in das Forderungsmanagement stecken. Tipp: Es gibt verschiedene Formen von Factoring.
Forderungseinzug und Inkasso
Inkassounternehmen bieten gewerblich den Forderungseinzug fälliger Geldforderungen an. Sie werden also in der Regel dann tätig, wenn für eine bestimmte Rechnung der Zahlungstermin bereits überschritten wurde.
Das Inkassoverfahren selbst kann verschiedene Stufen haben. Das Inkassounternehmen kann beispielsweise übernehmen:
- den Forderungseinzug der fälligen Forderung,
- das Mahnwesen,
- das gerichtliche Mahnverfahren,
- oder auch die Überwachung von titulierten Forderungen.
Das Inkassounternehmen kann entweder im Auftrag des Gläubigers tätig werden oder aber auch die Forderung aufkaufen.
Auch hier müssen Unternehmen jedoch vor der Beauftragung genau abwägen: Gerade die Branche der Inkassobüros hat bei vielen Verbrauchern einen zweifelhaften Ruf. In Film und Medien wurden Inkassobüros häufig bedrohlich dargestellt. Der Großteil der Inkassobüros arbeitet jedoch in der Realität professionell. Umso wichtiger ist es deshalb auch, ein seriöses Inkassounternehmen zu finden, dass mit Fingerspitzengefühl bei der Kommunikation mit den Schuldnern vorgeht.

Forderungseinzug: Unterstützung durch einen Anwalt
Zahlreiche Kanzleien haben sich auf die Bereiche Inkasso/Forderungseinzug spezialisiert und bieten Unternehmen Unterstützung an. Dabei werden unterschiedlichste Dienstleistungen angeboten. So kann es sich beispielsweise um Beratungsleistungen handeln, wie ein unternehmensindividuelles Coaching zum erfolgreichen Forderungsmanagement oder der Schulung von Mitarbeitern. An die Kanzlei kann jedoch auch ein Inkassoauftrag vergeben werden, sodass der Rechtsbeistand (vergleichbar wie ein Inkassobüro) beispielsweise folgende Aufgaben übernimmt:
- Übernahme der außergerichtlichen Beitreibung von Forderungen für das Unternehmen
- Gerichtliche Beitreibung von Forderungen für das Unternehmen
Ob Inkassodienstleister oder Anwalt: Ein Schreiben durch einen externen Dienstleister kann schon allein psychologisch eine ganz andere Wirkung entfalten als eine erneute Zahlungserinnerung des Gläubigers. Daher ist diese Form des Forderungseinzugs häufig auch erfolgreich. Grundsätzlich können Unternehmen die Kosten für ein Inkassobüro/Anwaltsbüro an den Schuldner, der in Zahlungsverzug ist, durch Schadensersatzforderung weitergeben. Allerdings trägt der Gläubiger das Risiko: Wenn der Schuldner nicht leisten kann (z. B. Zahlungsunfähigkeit), dann bleibt das Unternehmen regelmäßig auf den Kosten sitzen.
Ist ein Forderungseinzug unwirtschaftlich?
Es gibt Fälle, in denen selbst ein professioneller Dienstleister beim Forderungseinzug scheitert. Wenn Kund:innen zahlungsunfähig sind, hilft ggf. auch die Beauftragung eines Rechtsbeistands wenig. Ein Sprichwort sagt "Wo nichts ist, kann man nichts holen". In manchen Fällen kann es daher sein, dass ein Forderungseinzug keinerlei Aussicht auf Erfolg hat und auch zum Beispiel hohe Anwaltskosten keinen Sinn machen.
Wenn also ein Unternehmen Kenntnis davon hat, dass ein Kunde die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beantragt hat, dieses jedoch mangels Insolvenzmasse abgelehnt wurde, dann kann es sein, dass ein Forderungseinzug durch Dienstleister (mangels Erfolgsaussichten) unwirtschaftlich wäre. Hier müssen Unternehmen die Vorgehensweise genau abwägen und vor allem Verjährungsfristen im Blick behalten.
Es wird wohl Fälle geben, bei denen Forderungsverzicht ggf. wirtschaftlicher wäre. Für Forderungen gilt eine Verjährungsfrist von drei Jahren. Wer bereits erfolgreich den Weg des gerichtlichen Mahnverfahrens gegangen ist, profitiert von längeren Fristen: Für titulierte Forderungen gilt in der Regel eine Verjährungsfrist von 30 Jahren.
Hinweis: Die Überwachung von offenen Forderungen (gerade auch über einen langen Zeitraum) kann sehr aufwendig sein. Doch für die Liquiditätssicherung eines Unternehmens ist es essenziell, dass Verjährungsfristen im Blick gehalten und mögliche Maßnahmen frühzeitig ergriffen werden.
Fazit: Offene Forderungen erfolgreich einziehen zur Existenzsicherung
Insbesondere vor der Corona-Krise gingen viele Unternehmen noch recht entspannt mit dem Forderungsmanagement um. Sehr großzügig wurde über den Zahlungsverzug vieler Kund:innen hinweggesehen und teilweise erst sehr spät reagiert. Doch spätestens seitdem viele Unternehmen aller Größenordnungen und Branchen durch die Corona-Krise wirtschaftlich getroffen wurden, ist das Thema Forderungsmanagement in der Agenda des Managements in den Fokus gerückt.
Wenn offene Forderungen überfällig sind, müssen Maßnahmen ergriffen werden: Ob Unternehmen den Forderungseinzug selbst vornehmen oder externe Dienstleister beauftragen: Forderungsausfälle müssen (möglichst) vermieden werden. Nur so kann auf Dauer die eigene Liquidität gesichert werden.
