Mittelgroße Kapitalgesellschaft: Besonderheiten bei der Rechnungslegung

Viele Unternehmen werden als Kapitalgesellschaft geführt. Doch dabei stellen sich vor allem in der Rechnungslegung viele Fragen: Welche Offenlegungspflichten gibt es? Muss ein Lagebericht erstellt werden? Und ab wann muss die Prüfungspflicht beachtet werden? Die Größe der Kapitalgesellschaft ist entscheidend für die Rechnungslegungspflichten. Dieser Beitrag gibt einen Überblick zu den Größenklassen und fasst außerdem die Besonderheiten der Rechnungslegung bei mittelgroßen Kapitalgesellschaften zusammen.

Kapitalgesellschaften in Deutschland
Es gibt verschiedene Arten von Kapitalgesellschaften. Gängig im deutschen Handelsrecht sind:
- Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH),
- Unternehmergesellschaft (UG) – als Sonderform der GmbH,
- Aktiengesellschaft (AG) und
- Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA)
In Deutschland gibt es viele Kapitalgesellschaften. Für 2020 stellte Statista fest, dass 764.904 Unternehmen als Kapitalgesellschaften geführt wurden. Doch noch interessanter sind die Angaben, wenn man die Unternehmensgröße betrachtet. Je größer das Unternehmen, desto wahrscheinlicher ist es, dass es sich um eine Kapitalgesellschaft handelt.
Von insgesamt 16.675 Unternehmen mit min. 250 Beschäftigten handelte es sich bei 10.808 um Kapitalgesellschaften. Und bei 73.042 Unternehmen mit min. 50 bis 250 Beschäftigten wurden 47.332 Unternehmen im Jahr 2020 als Kapitalgesellschaften geführt.
Das verwundert auch nicht: Mit zunehmender Unternehmensgröße steigen auch die Risiken durch komplexe Strukturen, wirtschaftliche Unsicherheiten u.v.m. Kapitalgesellschaften bieten für Gesellschafter viele Vorteile, insbesondere im Hinblick auf Haftungsbeschränkungen. Deshalb werden viele Unternehmen als Kapitalgesellschaft gegründet oder nach einem Unternehmenswachstum umgewandelt.
Das Handelsrecht sieht jedoch für Kapitalgesellschaften besondere Pflichten für die Rechnungslegung vor. Allerdings wird unterschieden, um was für eine Kapitalgesellschaft es sich handelt. Nachfolgend ein kurzer Überblick:
Größenklassen laut Handelsgesetzbuch (HGB) für Kapitalgesellschaften
Kapitalgesellschaften werden in Größenklassen eingeordnet. Je nach Größenklasse ergeben sich unterschiedliche Regelungen für die Rechnungslegung, die Offenlegungspflichten und die Prüfungspflichten.

Die Größenklassen werden in § 267 und § 267a HGB definiert. Hier werden sog. Schwellenwerte festgelegt. Wenn mindestens zwei der folgenden Werte nicht überschritten werden (§ 267 HGB), gilt also ein Unternehmen als in folgende Größenklasse eingeordnet
Kleinstkapitalgesellschaft
- 350.000 Euro Bilanzsumme
- 700.000 Umsatzerlöse
- 10 Arbeitnehmer im Jahresdurchschnitt.
Kleine Kapitalgesellschaft:
- 6.000.000 Euro Bilanzsumme
- 12.000.000 Euro Umsatzerlöse
- 50 Arbeitnehmer im Jahresdurchschnitt.
Mittelgroße Kapitalgesellschaft
- 20.000.000 Euro Bilanzsumme
- 40.000.000 Euro Umsatzerlöse
- 250 Arbeitnehmer im Jahresdurchschnitt.
Ein Unternehmen wird als große Kapitalgesellschaften eingeordnet, wenn es mindestens zwei der Schwellenwerte für mittelgroße Kapitalgesellschaften überschreiten:
- Mehr als 20.000.000 Euro Bilanzsumme
- Mehr als 40.000.000 Euro Umsatzerlöse
- Mehr als 250 Arbeitnehmer im Jahresdurchschnitt.
Ausnahme: Wenn eine Kapitalgesellschaft aufgrund einer Fiktion bereits als große Kapitalgesellschaft gilt, dann ist das Unterschreiten der Schwellenwerte obsolet. Diese Besonderheiten sind in § 267 Abs. 3 Satz 2 HGB geregelt: "Eine Kapitalgesellschaft im Sinn des § 264d gilt stets als große." An dieser Stelle soll hierauf jedoch nicht weiter eingegangen werden.
Mittelgroße Kapitalgesellschaft: Grenzen beachten
Warum ist es so wichtig, dass Kapitalgesellschaften diese Werte kennen? Wenn die jeweiligen Grenzen überschritten werden, verändern sich damit auch die Pflichten in der Rechnungslegung. Vereinfacht gesagt: Je größer das Unternehmen ist, desto strenger sind die Vorgaben.
Wie die Statistiken 2020 zeigen, werden viele mittelgroße Unternehmen als Kapitalgesellschaft geführt. Doch wenn beispielsweise die Werte bei der Bilanzsumme und Umsatzerlöse überschritten werden, müssen die Vorgaben für große Kapitalgesellschaften beachtet werden. Allerdings treten die Rechtsfolgen nur dann ein, wenn die Grenzen an den Abschlussstichtagen von zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren über- (oder auch unter-)schritten werden.
Unternehmen sollten diese Zahlen immer im Blick behalten. Wurden die Schwellenwerte in einem Jahr überschritten und das Unternehmen will vermeiden, dass es in die nächste Größenklasse eingeordnet wird, so sollten bilanzpolitische Maßnahmen und auch Maßnahmen im Liquiditätsmanagement geprüft werden.
Hinweis: Eine Gesellschaft kann auch in eine niedrigere Größenklasse absteigen. Wenn also die Schwellenwerte überschritten werden (Achtung: Zwei-Jahresfrist beachten), dann kann auch das Rechtsfolgen mit sich bringen.
Mittelgroße Kapitalgesellschaft: Beispiele
Das Unternehmen A wird bisher als mittelgroße Kapitalgesellschaft eingestuft. Für das Geschäftsjahr 01 wird eine Bilanzsumme von 15.000.000 Euro und Umsatzerlöse von 45.000.000 Euro festgestellt. Das Unternehmen beschäftigt im Schnitt 180 Arbeitnehmer. Da lediglich ein Schwellenwert überschritten wurde, ergeben sich hier keine Rechtsfolgen. Das Unternehmen wird weiterhin als mittelgroße Kapitalgesellschaft eingestuft.
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Abwandlung: Dem Unternehmen gelingt es, sich am Markt noch besser zu etablieren. Es stellt deshalb auch viele neue Fachkräfte ein. Im Schnitt werden nun 280 Arbeitnehmer beschäftigt. Die Bilanzsumme für das Jahr 02 und 03 liegt bei 16.000.000 Euro bzw. 17.000.000 Euro. Die Umsatzerlöse steigen in 02 auf 50.000.000 Euro und im Jahr 03 auf 55.000.000 Euro. Das Unternehmen überschreitet an zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren zwei Schwellenwerte. Es muss nun also die Rechnungslegungspflichten einer großen Kapitalgesellschaft erfüllen.
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Abwandlung: Im Schnitt werden nun 280 Arbeitnehmer beschäftigt. Die Bilanzsumme für das Jahr 02 liegt bei 25.000.000 Euro bzw. für das Jahr 03 bei 17.000.000 Euro. Die Umsatzerlöse sinkt in 02 auf 35.000.000 Euro und steigt im Jahr 03 auf 55.000.000 Euro. Das Unternehmen überschreitet an zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren zwei Schwellenwerte. Dass es sich um unterschiedliche Merkmale handelt, ist hierbei nicht entscheidend. Es muss nun also die Rechnungslegungspflichten einer großen Kapitalgesellschaft erfüllen.
Mittelgroße Kapitalgesellschaft: Jahresabschluss und Lagebericht
Die Einstufung einer Kapitalgesellschaft in die Größenklasse "Mittelgroße Kapitalgesellschaft" hat unmittelbare Auswirkungen auf die Jahresabschlusserstellung.
So muss die Bilanz nach den Gliederungsvorschriften gem. § 266 HGB erstellt werden. Bei kleinen Kapitalgesellschaften und Kleinstkapitalgesellschaften reicht hingegen eine verkürzte Bilanz.
Bei der Gewinn- und Verlustrechnung sind die Gliederungsvorgaben gem. § 275 HGB zu beachten. Allerdings gibt es hier für kleine und mittelgroße Kapitalgesellschaften eine Erleichterung: Die Posten beim Gesamtkostenverfahren nach § 275 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 (Umsatzerlöse, Erhöhung oder Verminderung des Bestands an fertigen und unfertigen Erzeugnissen, andere aktivierte Eigenleistungen, sonstige betriebliche Erträge, Materialaufwand) oder beim Umsatzkostenverfahren nach Abs. 3 Nr. 1 bis 3 und 6 (Umsatzkostenverfahren, Herstellungskosten der zur Erzielung der Umsatzerlöse erbrachten Leistungen, Bruttoergebnis vom Umsatz, sonstige betriebliche Erträge) dürfen zu einem Posten unter der Bezeichnung "Rohergebnis" zusammengefasst werden (§ 276 HGB).
Mittelgroße und große Kapitalgesellschaften müssen den Jahresabschluss und den Lagebericht in den ersten drei Monaten des Geschäftsjahrs für das vergangene Geschäftsjahr aufstellen. Für kleine Kapitalgesellschaften und Kleinstkapitalgesellschaften wird hier eine großzügigere Frist gewährt.
Tipp: Weitere Erleichterungen für kleine Kapitalgesellschaften ergeben sich auch aus § 274a HGB, beispielsweise zu den Angangsangaben.
Handelt es sich um mittelgroße oder große Kapitalgesellschaften, müssen Jahresabschluss und Lagebericht durch einen Abschlussprüfer geprüft werden (§ 316 HGB). Mittelgroße GmbH’s oder mittelgroße Gesellschaften nach § 264a HGB dürfen hier auch können auch vereidigte Buchprüfer und Buchprüfungsgesellschaften mit der Abschlussprüfung beauftragen (vgl. § 319 HGB). Die Prüfung ist zwingend, denn ansonsten kann der Jahresabschluss nicht festgestellt werden.
Mittelgroße Kapitalgesellschaft müssen Offenlegungspflichten beachten Für bestimmte Unternehmen gelten Offenlegungspflichten (häufig auch Publizitätspflicht genannt). Die Pflicht ergibt sich aus § 325 HGB und hängt mit der Haftungsbeschränkung zusammen. Für Kleinstkapitalgesellschaften und kleine Kapitalgesellschaften werden Erleichterungen gewährt.
Mittelgroße Kapitalgesellschaft: Erleichterungen
Welche Unterlagen müssen mittelgroße Kapitalgesellschaften einreichen? Bei den Offenlegungspflichten profitieren sie von Erleichterungen gegenüber den großen Kapitalgesellschaften. So müssen sie mindestens folgende Unterlagen einreichen (§ 327 HGB):
- Verkürzte Bilanz
- Verkürzte Gewinn- und Verlustrechnung
- Anhang (auch hier gelten einige Erleichterungen)
- Lagebericht
- Bestätigungsvermerk
- Bericht des Aufsichtsrats.
Die Meldung muss elektronisch an den Bundesanzeiger erfolgen, und zwar spätestens ein Jahr nach dem Abschlussstichtag des Geschäftsjahrs, auf das sie sich bezieht. Die Fristen müssen unbedingt eingehalten werden, ansonsten drohen Sanktionen.
Achtung: Kürzere Fristen bei den Offenlegungspflichten gelten für kapitalmarktorientierte Unternehmen nach § 325 Abs. 4 HGB.
Fazit: Größenklasse entscheidet über Rechnungslegungspflichten
Die Einordnung in eine bestimmte Größenklasse hat erhebliche Auswirkungen auf den Umfang der Rechnungslegungspflichten. Kapitalgesellschaften sollten deshalb die gesetzlichen Schwellenwerte immer im Blick behalten. Mittelgroße Kapitalgesellschaften müssen bereits weitaus mehr Pflichten erfüllen als beispielsweise kleine Kapitalgesellschaften. Doch insbesondere bei den Offenlegungspflichten werden zahlreiche Erleichterungen gewährt.