Welche Bilanzkennzahlen gibt es und welche sind wirklich wichtig?

Lesezeit: 5 min.
Diese Bilanzkennzahlen sind wichtig.

In einem Jahresabschluss werden zahlreiche Informationen über ein Unternehmen vorgestellt. So enthält der Abschluss regelmäßig eine Bilanz und eine Gewinn- und Verlustrechnung. Je nach Unternehmen werden auch ein Anhang und ein Lagebericht veröffentlicht. In diesen Unterlagen finden sich zahlreiche Daten, Zahlen und Fakten über ein Unternehmen. Sowohl für das Unternehmen selbst als auch externe Stakeholder, wie beispielsweise Aktionäre oder Investoren, kann es von großem Interesse sein, eine Analyse vorzunehmen und noch mehr über das Unternehmen zu erfahren. Bilanzkennzahlen kommen hierbei regelmäßig zum Einsatz. Doch welche Kennzahlen sind besonders wichtig?

Nouveau call-to-action

Bilanzkennzahlen: Definition

In einem Jahresabschluss werden viele Positionen und Zahlen aufgelistet. Diese liefern bereits eine ganze Menge Informationen über ein Unternehmen. Doch mithilfe von Kennzahlen können häufig noch viel tiefgehendere Erkenntnisse gewonnen werden. Durch Bilanzkennzahlen werden also verschiedene Bilanzpositionen miteinander ins Verhältnis gesetzt. Das Ergebnis kann positive Entwicklungen des Unternehmens aufzeigen oder auch auf mögliche Probleme hinweisen. Deshalb sind Bilanzkennzahlen für das Controlling von großer Bedeutung. Sie werden regelmäßig ermittelt und im Idealfall über einen langen Zeitraum hinweg betrachtet und miteinander verglichen.

Hinweise auf Liquiditätsschwierigkeiten lassen sich so frühzeitig identifzieren. Im Liquiditätsmanagement können so beispielsweise mögliche Probleme durch ein unzureichendes Working Capital Management erkannt und Maßnahmen ergriffen werden.

In der Literatur wird häufig zwischen vertikalen und horizontalen Bilanzkennzahlen unterschieden. Bei den vertikalen Bilanzkennzahlen werden beispielsweise verschiedene Bilanzpositionen nur von der Aktiva oder nur von der Passiva miteinander in Beziehung gesetzt. Bei horizontalen Bilanzkennzahlen werden sowohl Positionen der Aktiva als auch Positionen der Passiva bei der Berechnung miteinbezogen.

New call-to-action

Bilanzkennzahlen berechnen

Bilanzkennzahlen werden insbesondere für eine Bilanzanalyse ermittelt. Die Kennzahlen werden durch verschiedene Bilanzpositionen ermittelt. Hinweis: Bei dem Begriff Bilanzanalyse könnte man nun meinen, dass ausschließlich die Daten der Bilanz untersucht werden. Doch tatsächlich wird der gesamte Jahresabschluss als Datenquelle herangezogen – und damit auch beispielsweise die Gewinn- und Verlustrechnung.

Die Berechnung erfolgt auf der Basis verschiedener Formeln. Nachfolgend werden beispielhaft einige wichtige Bilanzkennzahlen vorgestellt:

Wichtige Bilanzkennzahlen: Übersicht

Vorweg sei darauf hingewiesen: Es gibt zahlreiche Kennzahlen und damit auch verschiedene Möglichkeiten, welche Daten analysiert werden sollen. Welche Bilanzkennzahlen also konkret ermittelt werden, hängen individuell vom Unternehmen und dem Zweck der Kennzahlen ab.

So können beispielsweise konkrete Einzelfragen beantwortet werden, wie: Zu welchem Anteil ist das Unternehmensvermögen eigenkapitalfinanziert? Doch bei einer Bilanzanalyse wird eine umfangreichere Betrachtung vorgenommen. Sie zielt regelmäßig darauf ab, ein konkretes Bild über das Unternehmen als Ganzes zu bekommen. Es gibt deshalb keinen einheitlichen Standard, wie viele oder welche Kennzahlen ein Unternehmen genau berechnen sollte.

Es gibt jedoch einige Kennzahlen, die sich besonders bewährt haben in der Praxis und deshalb vergleichsweise häufig ermittelt werden. Hier ein kleiner Überblick zu einigen wichtigen Bilanzkennzahlen:

  • Eigenkapitalquote
  • Fremdkapitalquote
  • Verschuldungsgrad
  • Anlagendeckungsgrad
  • Liquidität 1. Grades
  • Liquidität 2. Grades
  • Liquidität 3. Grades
  • Working Capital
  • Anlagenintensität
  • Umlaufintensität
  • Vorratsintensität

Bilanzkennzahlen: Formeln

Wichtige Formeln zu Bilanzkennzahlen sind beispielsweise:

  • Eigenkapitalquote = (Eigenkapital / Bilanzsumme) x 100
  • Fremdkapitalquote = (Fremdkapital / Bilanzsumme) x 100
  • Verschuldungsgrad = Fremdkapital / Eigenkapital x 100
  • Anlagenintensität = Anlagevermögen / Gesamtvermögen x 100
  • Umlaufintensität = Umlaufvermögen / Gesamtvermögen * 100

Es gibt jedoch zahlreiche Kennzahlen und damit auch viele Formeln. Bei einer Bilanzanalyse kommt es darauf an, was genau betrachtet werden soll. So können beispielsweise Kennzahlen berechnet werden, die die Produktion des Unternehmens genauer unter die Lupe nehmen. Andere Kennzahlen betrachten das Personalwesen. Und bestimmte Kennzahlen können die finanzielle Situation des Unternehmens näher analysieren.

Bilanzkennzahlen zur Liquidität

Auch zur Liquiditätssituation eines Unternehmens können Kennzahlen interessante Informationen liefern. So gibt es beispielsweise die Kennzahlen:

  • Liquidität 1. Grades
  • Liquidität 2. Grades
  • Liquidität 3. Grades

Mit der Liquidtät 1. Grades wird ermittelt, ob das Unternehmen seinen kurzfristigen Verbindlichkeiten mit den vorhandenen liquiden Mitteln nachkommen kann. Die Formel lautet:

Liquide Mittel / kurzfristige Verbindlichkeiten × 100

Mit der Liquidität 2. Grades wird ermittelt, ob das Unternehmen seinen kurzfristigen Verbindlichkeiten mit den vorhandenen liquiden Mitteln zuzüglich der kurzfristigen Forderungen nachkommen kann. Die Formel lautet:

(Liquide Mittel + kurzfristige Forderungen) / kurzfristige Verbindlichkeiten × 100

Mit der Liquidität 3. Grades wird ermittelt, inwiefern die kurzfristigen Verbindlichkeiten durch Mittel des Umlaufvermögens finanziert werden könnten. Die Formel lautet hier:

Umlaufvermögen / kurzfristige Verbindlichkeiten x 100

Diese Liquiditätskennzahlen können also mithilfe der Bilanz ermittelt werden. Sie sind sowohl für externe Stakeholder interessant, um beispielsweise die Kreditwürdigkeit eines Unternehmens zu beurteilen. Doch auch für interne Zwecke sind diese Daten relevant. Das Liquiditätsmanagement sollte immer sicherstellen, dass das Unternehmen seinen Verbindlichkeiten nachkommen kann und zahlungsfähig bleibt. Im Idealfall kann das Liquiditätsmanagement in Echtzeit verschiedene Kennzahlen im Blick behalten. Moderne Technologien ermöglichen dies bereits und beschleunigen das Controlling dadurch erheblich.

Interpretation der Bilanzkennzahlen

Bei der Interpretation von Bilanzkennzahlen ist Fingerspitzengefühl erforderlich. Eine Kennzahl allein lässt noch kein Urteil darüber zu, ob ein Unternehmen sich positiv entwickelt oder möglicherweise krisengefährdet ist. Wichtig ist, einen Gesamteindruck zu erhalten. Und dazu sollten verschiedene Aspekte betrachtet werden.

Zudem spielt der Betrachtungszeitraum eine große Rolle. Wenn beispielsweise bestimmte Kennzahlen über einen längeren Zeitraum ermittelt und analysiert werden, lassen sich bestimmte Trends besser abzeichnen. Wenn hingegen lediglich ein Quartal betrachtet wird, ist das für sich nicht unbedingt repräsentativ für die Gesamtentwicklung eines Unternehmens.

Bilanzkennzahlen können auch danach beurteilt werden, ob bestimmte Richtwerte erreicht oder unterschritten werden. Das ist beispielsweise insbesondere bei der Kapitalstruktur des Unternehmens interessant. Branchenspezifische Unterschiede müssen hierbei beachtet werden.

Nimmt man beispielsweise die Fremdkapitalquote, so wird regelmäßig als Richtwert eine Quote von max. 60-70 % empfohlen. Doch in manchen Branchen ist die Fremdverschuldung regelmäßig höher als in anderen. Das sollte bei der Beurteilung daher miteinbezogen werden.

Wichtig: Bilanzkennzahlen werden beispielsweise insbesondere von Banken analysiert. Sie sind bei Kreditwürdigkeitsprüfungen eine wichtige Informationsquelle. Doch auch Investoren und Aktionäre interessieren sich häufig für Bilanzkennzahlen, um Investitionsrisiken besser einschätzen zu können. Für Unternehmen ist es deshalb wichtig, die Bilanzkennzahlen im Blick zu halten und ggf. Maßnahmen zu ergreifen, um diese zu optimieren. Denn das kann sich erheblich auf die Finanzierung des Unternehmens auswirken.

Kritik an Bilanzkennzahlen

Bilanzkennzahlen können ohne Frage interessante Informationen liefern. Sie können dazu beitragen, dass Unternehmen sich messbare Ziele setzen und diese entsprechend verfolgen. Zudem tragen Kennzahlen zur Transparenz bei und liefern Informationen zur Entwicklung eines Unternehmens. Allerdings bringen Kennzahlen auch Schwächen mit sich, wenn sie fehlerhaft zur Anwendung kommen.

Kennzahlen wirken sehr faktenbasiert und damit unerschütterlich. Doch im Umgang mit Kennzahlen wird ein Bewusstsein benötigt, wie diese ermittelt wurden. Entscheidend ist, dass die Bilanzkennzahlen nicht fehlinterpretiert werden. Auch bei Kennzahlenanalysen gibt es Grenzen! Wichtig ist zum Beispiel die Frage, welche Daten herangezogen werden.

Wenn die Liquiditätssituation eines Unternehmens beurteilt werden soll, jedoch dafür die Daten des letzten Jahresabschlusses als Informationsquelle genutzt werden, dann kann die Realität diese Ergebnisse schon längst überholt haben. Die Kennzahlenanalyse kann dann zu einer Fehlinterpretation führen. Auf diese Weise lassen sich sogar Kennzahlen manipulativ einsetzen und ein wesentlich positiveres Bild eines Unternehmens zeichnen, als es der aktuellen Situation entspricht. Deshalb sollten auch Kennzahlen kritisch hinterfragt werden.

New call-to-action

Melden Sie sich für unseren Newsletter an.

Das wird Ihnen auch gefallen