Wie Sie Ihren Liquiditätsbedarf richtig ermitteln

Die Ermittlung des Liquiditätsbedarfs ist eine wichtige Aufgabe im Finanzmanagement eines Unternehmens. Damit reduziert man das Risiko für Liquiditätsengpässe und sorgt dafür, dass immer genügend Cash zur Finanzierung des operativen Geschäfts zur Verfügung steht. Wir zeigen Ihnen hier verschiedene Möglichkeiten, wie man den Liquiditätsbedarf ermitteln kann.
Liquiditätsbedarf: Definition
Unter Liquiditätsbedarf versteht man die notwendigen finanziellen Mittel, mit welchen ein Unternehmen seine laufenden Kosten deckt und kurzfristigen Verbindlichkeiten begleicht, d.h. seine Rechnungen bezahlt, Gehaltszahlungen an Mitarbeiter:innen leistet, etc.

Diese Mittel stellen sicher, dass ein Unternehmen jederzeit seinen finanziellen Verpflichtungen nachkommen kann. Hat es genügend Liquidität, ist es demnach immer zahlungsfähig. Sinkt die Liquidität unter den minimalen Liquiditätsbedarf ab, bedeutet das, dass das Unternehmen seinen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen kann. Es entsteht ein Liquiditätsengpass.
Damit das nicht passiert, müssen Finanzverantwortliche zum einen immer einen Blick auf die aktuelle Liquidität haben und zum anderen den Liquiditätsbedarf für die kommenden Monate ermitteln.

Langfristiger vs. kurzfristiger Liquiditätsbedarf
Man unterscheidet zwischen dem langfristigen und dem kurzfristigen Liquiditätsbedarf. Der langfristige Bedarf wird für einen Zeitraum von einem bis zu mehreren Jahren ermittelt. Dabei legt man die strategischen Ziele zugrunde und schätzt ab, welche Finanzierungsformen in welcher Höhe zum Einsatz kommen müssen, um die Ziele zu erreichen.
Der kurzfristige Liquiditätsbedarf bezieht sich auf die kommenden 12 Monate. Er soll sicherstellen, dass die kurzfristigen Verbindlichkeiten jederzeit beglichen werden können. Bei der Ermittlung legt man nicht die strategischen Ziele zugrunde, sondern die operativen. Man schaut sich also im Detail an, wie das laufende Geschäft finanziert werden muss.
Liquiditätsbedarf berechnen
Um den Liquiditätsbedarf zu berechnen, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Je länger der Zeithorizont ist, den man betrachtet, desto ungenauer wird die Abschätzung, weil es unmöglich ist, die Geschäftsentwicklung auf mehrere Jahre akkurat vorherzusagen.
Einen ersten Eindruck, wie hoch der Liquiditätsbedarf in den kommenden 12 Monaten ist, geben die drei Liquiditätsgrade. Diese lassen sich einfach aus den Kennzahlen in der Bilanz berechnen.
Liquidität 1. Ordnung = Liquide Mittel / Kurzfristige Verbindlichkeiten x 100
Liquidität 2. Ordnung = (Liquide Mittel + Kurzfristige Forderungen) / Kurzfristige Verbindlichkeiten x 100
Liquidität 3. Ordnung = (Liquide Mittel + Kurzfristige Forderungen + Vorräte) / Kurzfristige Verbindlichkeiten x 100
Zu den liquiden Mitteln gehören Konto- und Barguthaben, sowie andere Vermögenswerte, die schnell in Liquidität umgewandelt werden können, z.B. Aktien oder Fonds.
Bei den drei Liquiditätsgraden wird die Liquidität immer breiter gefasst. Beim Grad 1. Ordnung stellt man nur die liquiden Mittel den kurzfristigen Verbindlichkeiten gegenüber. Beim 2. Grad bezieht man noch die kurzfristigen Forderungen mit ein, und beim 3. Grad zählt man die Vorräte und Warenbestände hinzu.
Beispiel: Ermittlung des Liquiditätsbedarfs für 12 Monate
Ein Unternehmen weist am Jahresende folgende Werte in seiner Bilanz aus:
- Liquide Mittel: 50.000€
- Kurzfristige Forderungen: 70.000€
- Vorräte: 80.000€
- Kurzfristige Verbindlichkeiten: 100.000€
Wir berechnen nun die drei Liquiditätsgrade:
- Liquiditätsgrad 1. Ordnung = 50.000€ / 100.000€ x 100 = 50%
- Liquiditätsgrad 2. Ordnung = (50.000€ + 70.000€) / 100.000€ x 100 = 120%
- Liquiditätsgrad 3. Ordnung = (50.000€ + 70.000€ + 80.000€) / 100.000€ x 100 = 200%
Die Finanzverantwortlichen können daraus nun folgende Aussagen ableiten:
- Es stehen liquide Mittel zur Verfügung, um die Hälfte der kurzfristigen Verbindlichkeiten zu decken
- Die liquiden Mittel und kurzfristigen Forderungen reichen mehr als aus, um die kurzfristigen Verbindlichkeiten zu decken
- Im Falle von Forderungsausfällen können Vorräte liquidiert werden, um die kurzfristigen Verbindlichkeiten zu decken
Diese Analyse hat jedoch einen Nachteil: Sie ist nur eine Momentaufnahme. Erhält das Unternehmen eine neue Rechnung, stellt seinen Kund:innen eine Rechnung aus oder erhält Einnahmen aus Verkäufen, verändern sich die kurzfristigen Verbindlichkeiten, Forderungen und liquiden Mittel, was Auswirkungen auf die Ermittlung des Liquiditätsbedarfs hat.
Dynamische Ermittlung des Liquiditätsbedarfs
Um den Liquiditätsbedarf genauer zu ermitteln, nutzt man dynamische Methoden. Bei diesen berechnet man die Liquidität fortlaufend und trifft Abschätzungen für die Zukunft. Hierzu ist es notwendig, zuerst die aktuelle sowie die vergangene Liquidität ganz genau zu kennen.
Man erstellt sich dazu eine Liquiditätstabelle für die vergangenen Monate und trägt sämtliche Ein- und Auszahlungen, welche auf den Geschäftskonten stattgefunden haben in die dafür vorgesehenen Kategorien ein.
Cash Flow am Jahresanfang: 3.000€ | Januar | Februar |
---|---|---|
Einzahlungen | ||
Einnahmen aus Verkäufen | 5.000€ | 6.000€ |
Einnamen aus Investitionstätigkeiten | 500€ | |
Fördergelder | ||
Steuerrückerstattungen | 1.000€ | |
Andere Einnahmen | 2.000€ | 2.000€ |
Gesamte Einzahlungen | 8.500€ | 8.200€ |
Auszahlungen | ||
Gehalts- und Lohnzahlungen | 2.000€ | 2.000€ |
Material- und Warenkosten | 1.000€ | 1.200€ |
Marketingausgaben | 500€ | 400€ |
Allgemeine Betriebskosten | 500€ | 500€ |
Software-Lizenzen | 100€ | 100€ |
Getätigte Investitionen | 4.000€ | |
Steuerzahlungen | 500€ | |
Gesamte Auszahlungen | 4.100€ | 8.700€ |
Monatssaldo | 4.400€ | -500€ |
Verfügbarer Cash = Cash aus Vormonat + Cash aus aktuellem Monat | 7.400€ | 6.900€ |
Hat man eine solche Tabelle für die vergangenen Monate erstellt, führt man sie für die kommenden Monate fort. Dazu trifft man für jede Kategorie eine Abschätzung, was man an Ein- und Auszahlungen erwartet. Je genauer man die Geschäftsentwicklung, Kundennachfrage, Investitionsvorhaben etc. abschätzen kann, desto genauer lässt sich der Liquiditätsbedarf ermitteln.
Der verfügbare Cash am Ende jedes Monats gibt an, wie hoch die liquiden Mittel sind, die man übrig hat. Ist der Wert für den verfügbaren Cash negativ, bedeutet das, dass nicht genügend liquide Mittel zur Verfügung stehen und ein Liquiditätsengpass droht. Sieht man schon im Voraus, dass der Cash ins Negative rutscht, kann man frühzeitig Maßnahmen ergreifen, um den Engpass zu entschärfen.
Liquiditätsbedarf: Bedeutung für Unternehmen
Wie wir in den Beispielen gesehen haben, ist die Ermittlung des Liquiditätsbedarfs von hoher Bedeutung für ein Unternehmen. Mit der Berechnung stellen Unternehmen sicher, dass sie jederzeit zahlungsfähig sind.
Nutzt man die dynamische Methode zur Ermittlung des Liquiditätsbedarfs, lassen sich außerdem frühzeitig Engpässe erkennen. Verantwortliche haben dann mehr Zeit, um mehr Cash zur Verfügung zu stellen (z.B. durch die Aufnahme von Krediten oder Liquidation anderer Vermögenswerte).