Wachstumschancengesetz: Gute Grundgedanken und viele Fragezeichen

Am Freitag, 13. Oktober 2023, hat der Bundestag erstmals über den Gesetzentwurf der Bundesregierung „zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness“ oder kurz: Wachstumschancengesetz beraten. Am 17. November wurde es dann vom Parlament verabschiedet.
Ziel des Gesetzes ist es, durch eine Reihe von Maßnahmen die Liquidität von Unternehmen zu verbessern und Investitionen sowie Innovationen zu fördern. Für Unternehmen bringt dieses Gesetz wesentliche Neuerungen und Chancen mit sich — allerdings gibt es bereits Kritik. Wir listen die wichtigsten Aspekte des Gesetzes auf.
Update: Am 24. November 2023 hat der Bundesrat — wie zu erwarten war, seine Zustimmung verweigert. Das Wachstumschancengesetz wurde für weitere Verhandlungen an den Vermittlungsausschuss überwiesen. Das Ziel sei eine Grundlegende Überarbeitung im gemeinsamen Gremium von Bundesrat und Bundestag.
Der Bundesrat bemängelt, dass der Bundestag in seiner Entscheidung nur selektiv auf die umfangreichen Änderungsvorschläge des Bundesrates reagierte, die dieser in seiner detaillierten Stellungnahme während der ersten Lesung des von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurfs gemacht hatte. Angesichts zahlreicher kurzfristiger Ergänzungen im Verlauf des Bundestagsverfahrens sieht der Bundesrat einen deutlichen Bedarf für Überarbeitungen.

Kernpunkte des Wachstumschancengesetzes
Das Gesetz umfasst etwa 50 steuerpolitische Maßnahmen. Zu den wichtigsten gehören:
- Liquiditätsverbesserung
- Investitionsanreize
- Forschungsförderung
- Verlustverrechnung
- Klimafreundliche Technologien
Verbesserung der Liquidität, liberalere Verlustrechnung
Das Wachstumschancengesetz zielt darauf ab, die Liquiditätssituation von Unternehmen zu verbessern. Durch steuerliche Entlastungen und Förderungen wird die Kapitalverfügbarkeit erhöht, was insbesondere in wirtschaftlich schwierigen Zeiten von Bedeutung ist. Unternehmen können dadurch eher Investitionen tätigen, Forschung und Entwicklung vorantreiben und somit zur Innovation beitragen.
Das Wachstumschancengesetz sieht zudem vor, Verlustverrechnung großzügiger zu gestalten. Das bedeutet, dass Unternehmen ihre Verluste aus einem Jahr mit Gewinnen aus einem größeren Zeitraum verrechnen können. Das hat den Vorteil, dass Unternehmen, die in einem Jahr Verluste erleiden, finanziell entlastet werden, da sie weniger Steuern zahlen müssen. Dies kann besonders für Start-ups oder Unternehmen in Wachstumsphasen, die anfangs oft Verluste machen, sehr hilfreich sein.
Anreize für Investitionen, Innovationen und Forschung
Anreize für Investitionen und Innovationen sind ein weiterer wichtiger Punkt. Dies soll durch verschiedene steuerliche Maßnahmen umgesetzt. So sieht das Gesetz einen 15-prozentigen Zuschuss für Investitionen in Klimaschutzprojekte vor — besonders relevant für Unternehmen, die ohnehin in nachhaltige Technologien investieren möchten. Dies kann von erneuerbaren Energien bis hin zu effizienten Produktionstechniken reichen.
Auch über die Forschungsförderung, die die Unternehmen zu mehr Investitionen in Forschung und Entwicklung ermutigen soll, soll eine langfristige Wettbewerbsfähig deutscher Unternehmen unterstützt werden. Technologieorientierte Unternehmen, bei denen Innovation und Entwicklung zur DNA gehört, sollten hier beim fertigen Gesetz genauer hinschauen.
Das Wachstumschancengesetz führt auch eine wichtige Neuerung im Bereich der Rechnungsstellung ein – die Pflicht zur elektronischen Rechnung im B2B-Bereich: Diese Verpflichtung könnte ein wichtiger Schritt zur weiteren Digitalisierung der Geschäftsprozesse sein. Elektronische Rechnungen können effizienter, schneller und kostengünstiger als traditionelle Papierrechnungen sein. Dies ermöglicht eine schnellere Verarbeitung, bessere Nachverfolgbarkeit und Reduzierung von Fehlern.
Kontroversen: reicht das?
Ein wesentlicher Kritikpunkt am Gesetz betrifft die Rolle der Digitalisierung. Bitkom, der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V., kritisiert, dass die Digitalisierung, obwohl sie ein starker Wachstumsmotor ist, im Wachstumschancengesetz nur eine untergeordnete Rolle spielt. Insbesondere bemängelt Bitkom, dass die Investitionsprämie für digitale Technologien nur im Rahmen eines Energiesparkonzepts gewährt wird, wodurch das breite Potenzial der Digitalisierung für Effizienzsteigerung und Ressourcenschonung nicht voll ausgeschöpft wird.
Zudem wird die im Koalitionsvertrag vorgeschlagene "Superabschreibung" auf Digitalinvestitionen als unzureichend angesehen, da sie nur eine moderate Anhebung der Abschreibungsquote vorsieht und sich auf kleine und mittelständische Unternehmen mit geringerem Gewinn beschränkt.
"Noch Luft nach oben"
Doch die Kritik endet hier nicht. Eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) deutet darauf hin, dass die durch das Gesetz geplanten Steuerentlastungen für Unternehmen die Wirtschaftsdynamik in Deutschland insgesamt kaum verbessern würden. Die Studie prognostiziert, dass die deutsche Wirtschaftsleistung durch das Gesetz von 2024 bis 2028 lediglich um insgesamt etwa sieben Milliarden Euro gesteigert wird, was einem jährlichen Wachstum von nur 0,05 Prozent entspricht.
Das IW erwartet außerdem, dass durch das Gesetz maximal rund 9.000 zusätzliche Stellen geschaffen werden. Diese relativ geringe Zahl an neuen Arbeitsplätzen könnte in einem Missverhältnis zu den überproportionalen Steuerminderungen stehen, die bei den Kommunen entstehen würden.
Mehrere Bundesländer haben bereits Vorbehalte gegen das Steuerentlastungspaket des Finanzministers geäußert. Es ist wahrscheinlich, dass die Bundesländer das Gesetz im Bundesrat nicht ohne weiteres durchwinken und stattdessen den Vermittlungsausschuss anrufen werden.
Selbstverständlich hielt sich auch die Opposition nicht mit Kritik zurück. Seitens CDU/CSU hieß es, dass die Ansätze im Entwurf teilweise richtig seien, allerdings mangele es ihnen an Durchschlagskraft. Die "Investitionsprämie ist hyperbürokratisch und vom Volumen her völlig mickrig", so Dr. Mathias Middelberg von der Unionsfraktion. Selbst von der SPD und den Grünen war zu hören, dass bei der Investitionsprämie "noch Luft nach oben sei."
Das Wachstumschancengesetz soll im Bundestag im Dezember 2023 verabschiedet werden. Wenn alles planmäßig verläuft, treten die Maßnahmen des Gesetzes am 1. Januar 2024 in Kraft.
Ausblick und die Rolle digitaler Lösungen
Das Wachstumschancengesetz eröffnet neue Möglichkeiten für Unternehmen, ihre finanzielle Agilität zu stärken und in nachhaltige, zukunftsorientierte Projekte zu investieren. In diesem Kontext wird die Bedeutung digitaler und smarter Lösungen für das Finanzmanagement immer deutlicher. Tools, die ein effizientes Liquiditätsmanagement ermöglichen, werden entscheidend sein, um die sich bietenden Chancen optimal zu nutzen und bestmögliche Investitionsentscheidungen zu treffen.
