Warum der Verschuldungsgrad eine wichtige Kennzahl für Ihr Unternehmen ist

Lesezeit: 5 min.
Unter dem Verschuldungsgrad versteht man in der Betriebswirtschaft das Verhältnis zwischen Fremdkapital und Eigenkapital eines Unternehmens.

Der Verschuldungsgrad ist eine wichtige Kennzahl in der Betriebswirtschaft, um die Zahlungsfähigkeit sowie die generelle finanzielle Struktur eines Unternehmens einzuschätzen. Wir zeigen Ihnen in diesem Artikel, wie man diese Kennzahl berechnet, wie sie sich von anderen Zahlen abgrenzt und wie man sie interpretiert.

Verschuldungsgrad: Definition

Unter dem Verschuldungsgrad versteht man in der Betriebswirtschaft das Verhältnis zwischen Fremdkapital und Eigenkapital eines Unternehmens. Er wird meist im Rahmen der Jahresabschlussrechnung ermittelt, wenn die genauen Zahlen für Eigen- und Fremdkapital in der Bilanz vorliegen.

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Oft wird der Verschuldungsgrad als Synonym für Fremdkapitalquote bzw. Fremdfinanzierungsgrad verwendet, was jedoch nicht richtig ist. Unter dem Fremdfinanzierungsgrad versteht man nämlich das Verhältnis aus Fremdkapital zum Gesamtkapital des Unternehmens.

Verschuldungsgrad: Formel

Der Verschuldungsgrad ergibt sich, wenn man das Eigenkapital dem Fremdkapital gegenüberstellt:

Verschuldungsgrad = Fremdkapital / Eigenkapital x 100

Durch die Multiplikation mit 100 erhält man den Verschuldungsgrad in Prozent.

Der Vollständigkeit halber und zur Abgrenzung hier noch die Formel zur Berechnung des bereits oben genannten Fremdfinanzierungsgrads:

Fremdfinanzierungsgrad = Fremdkapital / Gesamtkapital x 100

Die Werte für Fremd- und Eigenkapital werden aus der Bilanz entnommen. Fremdkapital taucht dort auf unter „Verbindlichkeiten“ und „Rückstellungen“. Dabei umfassen die Verbindlichkeiten sämtliche offenen Rechnungen, die das Unternehmen noch zu begleichen hat, sowie offene Kreditsummen, die an eine Bank zurückzubezahlen sind.

Rückstellungen dagegen sind ungewisse Verbindlichkeiten, von denen das Unternehmen noch nicht genau weiß, in welcher Höhe genau diese ausfallen werden, z.B. Steuernachzahlungen, oder drohende Verluste durch ein laufendes Gerichtsverfahren.

Eigenkapital umfasst in der Bilanz sämtliches Kapital, das nicht für Tilgungszwecke verwendet wird und nicht zum Umlaufvermögen gehört, z.B. Kapitalrücklagen und Jahresüberschüsse.

Dynamischer Verschuldungsgrad

Der Verschuldungsgrad aus dem vorherigen Abschnitt wird auch als statisch bezeichnet, da er nicht das Umlaufvermögen im Unternehmen mit in die Berechnung einbezieht. Der dynamische Verschuldungsgrad berücksichtigt dagegen die liquiden Mittel:

Dynamischer Verschuldungsgrad = (Fremdkapital – liquide Mittel) / Cashflow

Diese Formel gibt die Effektivverschuldung des Unternehmens an und spiegelt die Rückzahlungsdauer wieder, bis das Fremdkapital ausschließlich mit dem verfügbaren Cashflow (Überschüssen) getilgt ist.

Verschuldungsgrad: Interpretation

Je höher der statische Verschuldungsgrad ist, desto kleiner ist der Anteil des Eigenkapitals am Gesamtkapital. Das heißt, dass bei einem hohen Verschuldungsgrad sehr viel Fremdkapital aufgenommen worden sein muss, um das Unternehmen zu finanzieren.

Mit steigendem Verschuldungsgrad steigt deswegen das Risiko für Gläubiger und Kapitalgeber, da das Unternehmen immer abhängiger von Fremdkapital wird und somit einen sehr hohen Anteil an Schulden aus seinen laufenden Einnahmen tilgen muss.

Bleiben die Einnahmen in einem solchen Fall aus oder geraten ins Stocken, wird es für das Unternehmen immer schwieriger, seine Kreditraten pünktlich und betragsgenau zurückzubezahlen. Das Risiko für die Zahlungsunfähigkeit steigt also mit dem Verschuldungsgrad.

Grenzen der Aussagekraft

Wird der Verschuldungsgrad isoliert von anderen Kennzahlen betrachtet, ist er nur bedingt aussagekräftig. Er ist zwar ein wichtiger Indikator für Kreditinstitute und Investoren, um das Risiko für Zahlungsausfall abzuschätzen, spiegelt jedoch nicht vollständig die finanzielle Lage des Unternehmens wieder. Vielmehr gibt er Auskunft über die finanzielle Struktur, die von stark konservativ bis hin zu hochriskant reichen kann.

Ein Unternehmen mit einem sehr hohen Verschuldungsgrad muss sich deshalb nicht unbedingt in einer schlechten finanziellen Lage befinden. Bestes Beispiel: Ein Start-Up, das so gut wie kein Eigenkapital hat, dafür aber mit einer disruptiven Technologie gerade den Markt erobert und hohe Umsätze zu verzeichnen hat.

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Verschuldungsgrad: Richtwert

Eine pauschale Aussage über den optimalen Verschuldungsgrad kann nicht getroffen werden, da dieser von sehr vielen Faktoren abhängig ist, unter anderem von der Branche und der generellen Finanzpolitik des Unternehmens.

Häufig wird ein Richtwert empfohlen, bei dem das Verhältnis zwischen Fremdkapital und Eigenkapital höchstens 2:1 ist, was einem Verschuldungsgrad von 200% entspricht. Das heißt, dass die Schulden höchstens doppelt so hoch sein sollten wie das Eigenkapital. Macht das Fremdkapital also 67% am Gesamtkapital aus und das Eigenkapital 33% ist die Verschuldung noch vertretbar.

Für den dynamischen Verschuldungsgrad wird empfohlen, dass die Tilgungsdauer nicht länger als drei Jahre beträgt, wenn von einem konstanten Überschuss ausgegangen wird, der zur Tilgung verwendet wird. Das Unternehmen sollte also in der Lage sein, das aufgenommene Fremdkapital innerhalb von drei Jahren nur mit Hilfe des erwirtschafteten Gewinns zurückzubezahlen.

Verschuldungsgrad unter 100% sinnvoll?

Man könnte nun meinen, dass ein Verschuldungsgrad unter 100% erstrebenswert sei. Dies ist jedoch nicht immer ein Vorteil. Wird nämlich ausschließlich Eigenkapital verwendet, um Investitionen zu tätigen, kann dies steuerliche Nachteile haben – insbesondere bei sehr großen Investitionssummen.

Zinsaufwendungen zur Kredittilgung können nämlich von der Steuer abgesetzt werden, während die Kosten bei der Finanzierung durch Eigenkapital nicht steuerlich geltend gemacht werden können. Unternehmen sind daher gut beraten, wenn sie vor größeren Investitionen genau kalkulieren, ob es nicht günstiger wäre, einen Kredit aufzunehmen, auch wenn man die Investition komplett aus Eigenkapital finanzieren könnte.

Hoher Verschuldungsgrad im Unternehmen – was nun?

Ein hoher Verschuldungsgrad kann ein Indiz dafür sein, dass ein Unternehmen finanziell angeschlagen ist, weil es viel Hilfe von externen Geldgebern benötigt. Dadurch ist es von diesen auch abhängig und muss aufgrund eines großen Ausfallrisikos hohe Zinsen bezahlen.

Deshalb ist ein sehr hoher Verschuldungsgrad (größer als 200%) nicht zu empfehlen. Bei Konjunkturabschwächung kann es ansonsten leicht passieren, dass die Kredite durch fehlende Einnahmen nicht mehr getilgt werden können und die Insolvenz droht. Ziel eines Unternehmens mit einem sehr hohen Verschuldungsgrad sollte deshalb zuerst sein, die Verbindlichkeiten zu reduzieren und keine neuen Kredite aufzunehmen.

Muss ein Kredit aufgenommen werden, ist der Verschuldungsgrad jedoch nicht optimal, geht dies mit höheren Zinsen einher. Vor der Kreditaufnahme kann es sich also lohnen, einen Teil der bestehenden Verbindlichkeiten abzubauen. Dazu gibt es mehrere Möglichkeiten:

Kapitalgesellschaften (AG oder GmbH) können entweder durch Herausgabe von Aktien bzw. durch Erhöhung des Stammkapitals ihr Eigenkapital erhöhen. Das reduziert den Verschuldungsgrad und hebt die Chancen auf bessere Kreditkonditionen.

Eine AG kann mit seinem Gläubiger vereinbaren, die bestehenden Verbindlichkeiten in Aktien umzutauschen. Das Senken von Betriebskosten trägt indirekt zur Eigenkapitalerhöhung bei, denn Ersparnisse sind Überschüsse.

Erhöhen sich die Gewinne, erhöht sich ebenfalls das Eigenkapital. Eine Strategie zur Gewinnsteigerung kann sich deshalb langfristig auszahlen, um unabhängiger von Kreditinstituten zu werden und den Verschuldungsgrad zu senken.

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